Die Herren der Unterwelt 01 - Schwarze Nacht
gebracht?“
„W …“
„Wenn du mir wieder dieselbe Antwort gibst, schneide ich dir die Zunge raus. Und du wirst mir dabei zusehen, wie ich sie esse“, warnte Maddox ihn.
Reyes hatte diese Stimme noch nie gehört. Maddox sprach tiefer und herber als je zuvor. Er war durch und durch Bestie. Von dem Mann Maddox war keine Spur zu sehen.
„Ich will wissen, wo sie sind.“
„Ich wei…“
Der Mann hatte keine Chance, den Satz zu beenden. Mit erhobenem Arm sprang Maddox auf ihn zu. Dann ließ er die Hand hinab sausen. In der einen Sekunde lebte der Mann noch. In der nächsten war er mausetot. Das Blut lief ihm aus dem Hals.
Der einzige Überlebende begann zu winseln. Er hustete.
„Ich werde die Frage nur noch ein Mal stellen“, erklärte Maddox, und der Jäger hustete wieder. „Wohin hat man sie gebracht?“
„McIntosh hat es uns nicht gesagt“, war die zittrige Antwort. „Er hat nur gesagt, wir sollen die Stadt im Auge behalten und ihm Bescheid geben, wenn wir einen der Herren sehen. Wir haben außer Miss Darrow keine andere Frau in der Burg erwartet. Bitte. Sie wollen nur das Mädchen und die Büchse. Ihr Plan war es, sich in die Burg zu schleichen, sich das Mädchen zu schnappen und nach der Schatulle zu suchen. Das ist alles.“
Reyes stapfte zu einem der toten Männer und nahm das Funkgerät an sich, das er bei sich trug. Er steckte es sich hinten unter den Gürtel. Vielleicht erhielt er darüber ja hilfreiche Informationen. Doch im Augenblick gab das Gerät keinen Mucks von sich.
Maddox schielte zu ihm hinüber, und Reyes nickte. Ohne ein warnendes Wort streckte Maddox die Hände aus, brach dem Mann das Genick und ließ ihn zu seinen Freunden auf den Boden fallen. Sie hätten ihm nicht gestatten können, weiterzuleben. Er war ein Jäger. Er war infiziert. Und er hatte eine Rolle bei Ashlyns Verschwinden gespielt.
„Was machen wir als Nächstes?“ Reyes starrte gen Himmel. Ein Teil von ihm hoffte, die Antwort fiele von den Sternen zu ihnen herunter.
„Ich weiß es nicht.“ Maddox war geradezu krank vor Sorge, als er die unglückseligen Worte der Jäger wiederholte. Gewalt beherrschte ihn und steuerte sein Handeln, aber sein Geist war dennoch klar. Wenn er Ashlyn nicht bald fand, würde er bis zum nächsten Morgen warten müssen, wenn er von den Toten zurückgekehrt war. Und wenn er warten musste … wenn Ashlyn die Nacht mit den Jägern verbringen musste …
Er wollte sie alle töten.
„Lass uns die Stadt noch mal absuchen. Es muss einfach eine Spur geben“, schlug Reyes vor. „Wir müssen irgendetwas übersehen haben.“
Seite an Seite liefen sie zurück in die Stadt. Es waren nicht viele Menschen unterwegs, und die paar Gestalten, die sich draußen herumtrieben, hielten sich von ihnen fern. Vermutlich hatte die Bombenexplosion das Bild von den Engeln vom Hügel zerstört. Die Explosion und die Tatsache, dass Maddox an den Händen und im Gesicht Blut klebte.
Als er und Reyes in einer schmutzigen Gasse standen, in der es nach Urin stank und die ihm wie ein lebensgroßer Sarg vorkam, blieb er stehen und blickte – wie zuvor Reyes – in den samtenen Himmel. Auf einmal verspürte er nicht mehr nur Wut und niedere Gelüste, sondern auch Hilflosigkeit.
Ashlyn war sein Grund zu leben.
Er liebte sie. Das hatte er zwar schon vorher geahnt, aber jetzt war er sich ganz sicher. Sie verkörperte Sanftmut und Licht. Leidenschaft und Ruhe. Hoffnung und Leben. Unschuld und … alles. Sie war sein Ein und Alles.
Jetzt, da er sie gefunden hatte, konnte er sich ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen. Ihm war, als wäre sie die fehlende Verbindung, das fehlende Teil seines Wesens, das Einzige, das ihn vollständig machte.
Er hatte ihr versprochen, dass er sie immer beschützen würde.
Er hatte versagt.
Brüllend schlug er in die Mauer neben sich. Er fühlte sich innerlich wie zerrissen.
Eine Zeitung tanzte um Reyes’ Knöchel. Der Krieger bückte sich, hob sie auf, knüllte sie zu einem Ball zusammen und warf sie wütend weg. „Uns läuft die Zeit davon.“
„Ich weiß.“ Denk nach! „Die Jäger haben die Frauen bestimmt nicht aus der Stadt gebracht. Wahrscheinlich richten sie ihre gesamte Energie auf die Suche nach der Büchse. Und so wie sie bei uns eingefallen sind, müssen sie denken, dass wir sie haben.“
„Richtig.“
„Vermutlich sind sie immer noch in der Stadt und verstecken sich.“
„Es würde mich nicht wundern, wenn sie uns die Frauen im Tausch gegen die Büchse
Weitere Kostenlose Bücher