Die Herren der Unterwelt 03 - Schwarze Lust
durchs Haar, über die Wange und schließlich über die Brust gestreichelt. Das erste Mal hatte er sie einfach stehen lassen, das zweite Mal hatte er sie kurz angebunden in die Schranken verwiesen.
„Ich kann nicht schlafen“, sagte sie. „Erzähl mir irgendetwas. Du bist über lange, lange Zeit offenbar viel herumgekommen.“ Okay. Jetzt entlud sich ihr Frust schon darin, dass sie ihn quasi als alten Mann bezeichnete. „Sicher kannst du mir die Zeit mit einer Art Geschichtsstunde vertreiben.“
Sie meinte ihn schnauben zu hören.
Ihre Lippen zuckten. „Magst du die Herausforderung nicht annehmen?“
„Erzähl du mir erst mal etwas von dir. Wovon hast du in deinem alten Leben gelebt?“
In ihrem alten Leben. Das schien eine Ewigkeit her zu sein. „Ich hab Porträts und Wandbilder gemalt. Das hat mich nicht reich gemacht, aber zumindest ernährt. Meine Mutter war anfangs enttäuscht. Denn schon meine Großmutter hat lange Zeit vom Malen gelebt, und meine Mutter hat sich für mich einen anderen Beruf gewünscht. Ärztin, Juristin. Etwas … Angeseheneres, Nützlicheres, denke ich.“
„Malerei ist nützlich. Sie bringt Schönheit in die Welt.“
„Danke.“ Nach diesen Worten fühlte sie sich nur noch mehr zu ihm hingezogen. „Dann hat meine Großmutter versucht, sich umzubringen. Sie sagte, ihre Bilder würden sie verrückt machen. Nach dem missglückten Selbstmordversuch versiegte ihre Kreativität, und sie hat nie wieder einen Pinsel angerührt. Aber irgendwie muss sie mir ihre kreative Ader vererbt haben, denn ein paar Wochen später fing ich an, diese Träume zu bekommen. Ihr Leben wurde auf einmal friedlich, und meines wurde, obwohl ich noch ein Kind war, vollkommen chaotisch. Wahrscheinlich konnte ich es daher immer nachvollziehen, dass meiner Mutter meine künstlerischen Ambitionen widerstrebten.“
„Was ist mit deinem Vater? Ist er während eurer Reise nach Budapest zu Hause geblieben, oder ist er …“
„Tot? Nein. Er hat uns schon vor einiger Zeit verlassen. Hat eine neue Familie gegründet.“ Der Verlust ihres Vaters hatte ihr den Boden unter den Füßen weggerissen. Er war für sie immer eine Art Gott gewesen. Zumindest ein guter Mensch mit einem großen Herzen. Aber dieser Mensch hatte sie alleingelassen, als hätte sie ihm nichts, nicht das Geringste bedeutet. „Meine Mutter hat mir erzählt, dass die Midlife-Crisis bei ihm voll zugeschlagen hat.“
„Das tut mir leid.“
„Danach sind meine Großeltern – die Eltern meiner Mom – eingesprungen und haben meiner Mutter geholfen, uns großzuziehen. Mein Großvater ist mir eine Art zweiter Vater geworden, weshalb sein Tod ein so harter Schlag für mich war.“
„Du hast in deinem kurzen Leben eine Menge Verluste erfahren.“
„Ja.“ Und Reyes wollte sie nicht auch noch verlieren. Denn er bedeutete inzwischen die Welt für sie – obwohl sie versucht hatte, es nicht so weit kommen zu lassen, obwohl sie sich mit Händen und Füßen dagegen gesträubt hatte. „Jetzt bist du dran mit Erzählen.“
Nach einer Weile sagte er: „Lass mich einen Moment nachdenken.“
Sie drehte sich auf die Seite. Wieder rieb das Laken über ihre Haut und erinnerte sie daran, dass ein äußerst attraktiver, sinnlicher Mann nur wenige Zentimeter von ihr entfernt lag. Trotzdem sollte sich mein Körper nicht so verhalten, als würde ich nackt in einem Seiden-Negligé stecken: Ich trage ein simples T-Shirt und bin von jeder Menge Baumwolle umgeben. Aber seine Hitze verteilte sich im ganzen Raum und drang bis in die letzte Ecke ihres Körpers vor.
„Erzähl mir von deinen anderen Freundinnen.“ Vielleicht würde das ihrer Erregung einen Dämpfer versetzen. Doch plötzlich wurde ihr klar, was sie da gesagt hatte. „Mit anderen Freundinnen meine ich natürlich nicht“, beeilte sie sich präzisieren, „dass ich deine aktuelle Freundin bin oder je deine Freundin war.“ Herrje, konnte man ein Gespräch noch peinlicher beginnen?
Er stieß einen Seufzer aus, und Danika spürte seinen minzigen Atemhauch überall auf ihrem erregten Körper.
„Zwei Frauen habe ich versucht zu halten.“
Zwei? Diese verdammten Schlampen! So, Mädchen, jetzt schalt mal einen Gang runter und entspann dich! „Sie zu halten? Was meinst du damit?“
„Eine Beziehung haben“, erklärte er.
„Und was ist passiert?“ Sind sie die Treppe runtergefallen und haben sich ihre miesen Visagen zerschmettert? Als eifersüchtiges Weib gab sie nicht die beste Figur ab, das
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