Die Herren der Unterwelt 03 - Schwarze Lust
in die Innenseite seiner Wange. Er hätte sich hüten sollen, diesen Gott anzurufen und ihn um einen Gefallen zu bitten. Der Gedanke, dass Kronos sie anfassen oder küssen könnte, machte ihn krank. Sie gehört mir! „Warum hasst Ihr uns so sehr?“
„Euch hassen?“, lachte Kronos, aber er klang keineswegs amüsiert. „Hass ist ein zu einfaches Wort. Du könntest sagen, dass ich geneigt bin, die früheren Verehrer meiner Feinde nicht zu mögen. Und dennoch gebe ich zu, dass ihr Herren der Unterwelt mich immer noch neugierig macht. In euch steckt mehr Menschlichkeit, als ich in Männern erwartet hätte, die zur Hälfte aus einem Dämon bestehen. Just in diesem Augenblick zum Beispiel stürzt sich derjenige, der sich Aeron nennt, auf seine Beute, und trotzdem höre ich immer noch Stimmen in seinem Innern, die ihn von seinem Vorhaben abzubringen und zu überreden versuchen, das Feld zu räumen.“
Paris stand reglos da.
Man hörte einen Seufzer. „Ich muss sagen, dass er mich überrascht hat. Er hatte die Großmutter bereits in seinen Fängen und hätte ihr nur noch den Mantel aufreißen müssen. Doch es gelang ihm, seinen Blutdurst so lange zu unterdrücken, wie sie brauchte, um zu fliehen. Es ist ihm sogar gelungen, die Erinnerung daran aus seinem Gedächtnis zu löschen. Die Willenskraft, die zu so etwas nötig ist … Hut ab.“
Hingegen würde es Aeron niemals gelingen, die Erinnerung an die Ermordung der vier unschuldigen Frauen abzuschütteln, da war sich Paris sicher. Von Anfang an hatte der gepeinigte Krieger gewusst, dass dieser Akt sein Leben für immer verändern würde. Und zwar nicht zum Guten. Aeron würde sich für den Rest seines Lebens verfolgt und heimgesucht fühlen.
Und Paris würde es genauso gehen, wenn er nichts tat, um das zu verhindern.
„Ich sehe den Aufruhr in deinem Geist“, sagte Kronos und hockte sich vor Paris auf den Boden. Ihre Blicke trafen sich – Blau und ein bodenloses, unergründliches Braun. „Du solltest nur wissen, dass du, wenn du dich für Aeron entscheidest, Sienna niemals wiedersehen wirst. Dafür werde ich sorgen. Einfach nur weil ich die Macht dazu habe.“
„Und wenn ich mich für Sienna entscheide?“
„Dann wird Aeron die Frauen ermorden. Alle bis auf Danika. Die werde ich nämlich behalten, habe ich beschlossen. Die anderen sind wertlos für mich, vollkommen belanglos.“
„Warum habt Ihr dann Aeron dazu verdammt, sie zu töten?“, fragte Paris ungläubig.
Kronos zuckte die Achseln. „Ich wusste, dass eine von ihnen mein Allsehendes Auge ist. Das Auge, das für mich in spirituelle Gefilde hineinschaut. Aber bis vor Kurzem wusste ich noch nicht, welche von ihnen. Also beschloss ich, die ganze Blutlinie auszulöschen, damit sie nicht mehr gegen mich instrumentalisiert werden kann. Deshalb sollten sie alle sterben. Aber jetzt, wo ich mir das jüngste Mädchen eine Weile angeschaut habe, erinnere ich mich an all das, was das Auge einst für mich getan hat – bevor Zeus sie mir abspenstig machte und gegen mich einsetzte. Der Vorteil bei Danika ist, dass sie, anders als ihre Großmutter damals, ihr Herz verschenkt hat und sich wohl kaum von anderen Göttern vereinnahmen lassen wird.“
„Warum befreit Ihr dann nicht einfach Aeron von seinem Fluch, wenn Ihr Danika und ihre Familie gar nicht mehr töten wollt? Wenn Ihr Danika lebendig wollt? Warum legt Ihr Aerons Freiheit in meine Hand?“
„Weil du mit einer Frage zu mir gekommen bist, mit der sich, wie ich festgestellt habe, auch meine Menschen täglich herumschlagen. Wer hat mehr Gewicht – eine Geliebte oder ein Freund? Und nun, Dämon, habe ich es satt, auf deine Antwort zu warten.“
Paris schluckte. Die endgültige Entscheidung. Er hatte gewusst, dass er sie würde treffen müssen, aber jetzt und hier, im Augenblick der Wahrheit, wusste er, dass er sich hassen würde, egal wie die Entscheidung ausfiel.
„Wähle“, sagte Kronos, und seine Stimme zitterte vor Ärger. „Während Sienna im Himmel spazieren geht, macht sich Aeron gerade an den Frauen zu schaffen. Jetzt hebt er seinen Dolch. Und Sienna weint, weil sie nicht weiß, ob sie eine Zukunft hat. Aeron ist …“
„Aeron“, sagte Paris, kippte vornüber und war schon in derselben Sekunde besinnungslos vor Trauer über den Verlust der einzigen Frau, die er jemals geliebt hatte und jemals lieben würde. „Ich wähle Aeron.“
Ohne dass irgendetwas darauf hingedeutet hatte, klappte Aeron neben dem Bett zusammen. Legion kuschelte
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