Die Herren der Unterwelt 03 - Schwarze Lust
sich an seine Seite und streichelte ihm übers Gesicht. Reyes, der die beiden betrachtete, blinzelte erschrocken, als plötzlich ein Lächeln die Lippen des mittlerweile schlafenden Kriegers umspielte und sich ein friedlicher Ausdruck auf sein Gesicht legte, der die Falten und Furchen rund um die Augen glättete.
Was zum Teufel passierte da gerade? Aeron war bereit gewesen zum Todesstoß, und Reyes hätte ihn nicht daran hindern können. Und dann war plötzlich alles in der Bewegung erstarrt, wie eingefroren, niemand hatte mehr geatmet oder sich gerührt. Daraufhin waren die schlafenden, vergifteten Krieger aufgewacht, als wäre nichts geschehen. Und dann war Aeron umgekippt.
Alle drehten sich um und schauten sich verdutzt an. Lucien kam einen Moment später mit dem Heiler zurück, einem nervös plappernden Menschen, der sich fast in die Hose machte beim Anblick der Horde ungeschlachter, schwergewichtiger Krieger.
„Reyes“, flüsterte Danika.
Reyes beugte sich zu ihr nieder und küsste sie auf die Schläfe. „Sprich nicht, Liebes, spar dir deine Kräfte auf. Der Heiler wird …“
„Ich habe eine Vision.“
Doch er kümmerte sich nicht um ihre Vision, er kümmerte sich um sie. „Versuche sie auszublenden. Bleib einfach bei mir, während dich der Heiler verarztet, okay?“ Er wandte sich dem Mann zu und befahl: „Versorgen Sie sie. Geben Sie ihr Tylenol. Was auch immer. Verarzten Sie sie.“
Der Mann setzte sich eiligst in Bewegung. „Natürlich, selbstverständlich.“
„Ich bin im Himmel und liege auf einer marmornen Empore.“ Danika lächelte, ihre Augen waren glasig. „Ich bin weiß gewandet, und die Engel singen.“
„Was? Nein, nein.“ Reyes schüttelte heftig den Kopf, als ihm klar wurde, was sie da sagte. „Halte durch, halte nur noch einen kleinen Moment durch.“
Der Heiler kniete sich neben Danika und holte rasch die nötigen Utensilien aus seinem schwarzen Köfferchen hervor.
„Beeilen Sie sich“, herrschte Reyes den Mann an, doch es gab keinen Grund mehr zur Eile. Danikas Augen fielen zu, und ihr Kopf rollte zur Seite. Einen Moment später war sie verschwunden, und Reyes hielt nur noch Luft umklammert.
Sein markerschütternder Schrei hallte im Himmel und auf der Erde wider und warf schließlich auch ein Echo in die Hölle.
26. KAPITEL
Wo ist sie?“
„Was zum Teufel hast du mit ihr gemacht?“
Reyes hockte in einem Sessel des Freizeitsalons, ein Glas mit Ambrosia versetzten Brandy in der Hand. Danikas Mutter und Schwester standen vor dem Fernseher, in dem selbst gedrehte Videofilme liefen, die Danika als spielendes Kind zeigten. Ihre Großmutter saß mit ausgestrecktem Gipsbein neben Reyes.
Er hatte Lucien vor drei Tagen beauftragt, die Videos zu holen, und den Fernsehsessel seitdem nicht verlassen. Die Filme waren seine einzige Verbindung zu Danika und vielleicht der einzige Schlüssel, um sie zu finden. Danika. Ich vermisse dich, meine Liebe. Es war ihm vollkommen egal, dass die Jäger vermutlich gerade einen neuen Angriff vorbereiteten. Es kümmerte ihn nicht, dass sich seine Freunde bereits auf den Kampf vorbereiteten.
Er hörte Schritte. Dann bekam er eine Ohrfeige. Er befühlte seine Wange, war aber zu betäubt und gefühllos, um den Schmerz auszukosten.
„Rede mit uns!“, befahl Danikas Schwester.
„Bitte“, flehte die Mutter. „Dränge deine böse Seite zurück und hilf uns!“
„Lasst ihn in Ruhe“, sagte die Großmutter und tätschelte seine Hand. „Ich habe etliche Dämonen in meinen Träumen gesehen, und dieser Mann hier ist kein Dämon. Er liebt unser kleines Mädchen und tut alles, was in seiner Macht steht, um sie zurückzuholen.“
Tat er das wirklich? Er fühlte sich, als könnte und müsste er mehr tun. Aber was, das wusste er nicht. „Wenn ich wüsste, wo sie ist, hätte ich sie längst in Sicherheit gebracht“, entgegnete er schließlich. „Aber ich habe sie im Stich gelassen. Dort. Fühlt ihr euch jetzt besser?“
Schweigen.
„Na gut, dann hol sie zurück!“, schrie Tinka, die Mutter.
„Ich weiß nicht, wie.“ Dieses Eingeständnis war schmerzvoll, entsetzlich schmerzvoll – und es war kein wohltuender Schmerz.
Fünf Tage waren seit Danikas Verschwinden vergangen. In diesen fünf Tagen hatte Aeron sein Bewusstsein wiedererlangt. Sein Bedürfnis zu töten war so komplett verschwunden, als hätte er es nie verspürt. Er hatte sich entschuldigt: „Vergib mir, bitte vergib mir, auch wenn ich bezweifle, dass ich selbst jemals
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