Die Herren der Unterwelt 04 - Schwarzes Flüstern
todbringenden Frau – vergessen hatte, war … demütigend.
„Ich habe nicht mit dir gesprochen“, murmelte er.
Blasser als gewöhnlich schlang sie sich die Arme um die Taille. „Und mit wem dann? Wir sind doch allein.“
Er antwortete nicht. Es ging nicht. Nicht ohne zu lügen. Da Zweifels Unfähigkeit zu lügen vor langer Zeit auf Sabin übergegriffen hatte, musste er bei der Wahrheit bleiben oder weglaufen, wenn er während der nächsten Tage nichtbewusstlos herumliegen wollte.
Zum Glück bestand Gwen nicht auf einer Antwort. „Ich möchte nach Hause“, sagte sie leise.
„Ich weiß.“
Am Vortag hatte Paris alle befreiten Frauen zu ihrer Gefangenschaft befragt. Wie sie vermutet hatten, waren sie entführt, vergewaltigt, geschwängert worden. Man hatte ihnen gesagt, dass man ihnen ihre Babys wegnehmen und zu Kämpfern gegen das Böse ausbilden würde. Danach hatte Lucien alle außer Gwen – die Paris nichts verraten hatte – zu ihren Familien gebracht, die sie hoffentlich vor den Jägern verstecken und ihnen den Frieden und die Behaglichkeit schenken würden, die sie während ihrer Gefangenschaft entbehrt hatten.
Gwen hatte darum gebeten, zu einem verlassenen Eisstrich in Alaska gebracht zu werden. Obwohl sie nicht kooperiert hatte, hatte Lucien ihr die Hand gereicht, und Sabin wardazwischengegangen.
„Wie ich in der Höhle gesagt habe: Sie bleibt bei mir“, hatte er gesagt.
Gwen keuchte. „Nein! Ich will gehen.“
„Tut mir leid. Das geht nicht.“ Er weigerte sich, sie anzusehen, aus Angst, dass er dann schwach wurde und sie freiließ. Und das hätte er getan, obwohl sie ihm mit ihrer Kraft, Geschwindigkeit und Grausamkeit dabei helfen konnte, den Krieg zu gewinnen und somit seine Freunde zu retten.
Bei den Göttern, er träumte schon seit unzähligen Jahren von einem Ende, von einem siegreichen Ende. Er konnte Gwens Bedürfnisse und Wünsche nicht über diesen Sieg stellen.
Dafür wollte er Galen – die Person, die er am meisten auf der Welt hasste – viel zu gern geschlagen und eingekerkert sehen.
Galen, der einst vergessene Herr, war der Mann, der die Krieger überredet hatte, mit ihm zusammen die Büchse der Pandora zu stehlen und zu öffnen. Er war außerdem der Mann, der geplant hatte, sie zu töten und dann die Dämonen einzufangen, die sie einst befreit hatten, um auf diese Art in den Augen der Götter zum Held aufzusteigen. Doch die Dinge waren nicht so gelaufen, wie der Bastard gehofft hatte. Und auch Galen war dazu verdammt worden, einen Dämon zu beherbergen – Hoffnung.
Wenn die Sache damit nur erledigt gewesen wäre. Doch als zusätzliche Strafe hatte man sie alle aus dem Himmel verbannt. Galen – immer noch entschlossen, die Männer zu vernichten, die ihn als Freund bezeichnet hatten – hatte schnell eine Armee wütender Sterblicher um sich versammelt, die sogenannten Jäger. Und die Blutfehde hatte ihren Anfang genommen. Es war eine Fehde, die mit jedem Jahr heftiger wurde. Wenn Gwen Sabin auch nur im Geringsten helfen konnte, war sie zu kostbar, um freigelassen zu werden. Was sie natürlich ganz anders sah.
„Bitte“, hatte sie ihn angefleht. „Bitte.“
„Ich werde dich eines Tages nach Hause bringen“, hatte er ihr versprochen. „Du könntest uns, unserer Sache nützlich sein.“
„Aber ich will euch gar nicht helfen. Ich will einfach nur nach Hause.“
„Tut mir leid. Aber wie gesagt: Das geht erst mal nicht.“
„Mistkerl“, murmelte sie. Dann war sie wie erstarrt. Fast, als hätte sie es nicht laut sagen wollen und nun dächte, er würde sich auf sie stürzen und sie schlagen. Als er es nicht tat, entspannte sie sich etwas. „Dann habe ich also einen Entführer gegen den anderen eingetauscht oder was? Du hast mir versprochen, mir nicht wehzutun.“ Sie klang so sanft, so sanft. Fast schon traurig und resigniert, und das … verletzte ihn. „Lass mich einfach gehen. Bitte.“
Offensichtlich hatte sie Angst. Vor ihm, vor seinen Freunden. Vor sich und ihren tödlichen Fähigkeiten. Sonst hätte sie sicherlich versucht, ihn loszuwerden oder um ihre Freilassung zu feilschen. Aber das hatte sie kein einziges Mal getan. Fürchtete sie sich davor, was sie mit ihr machen würden, wenn sie sie schnappten? Oder davor, was sie ihnen antäte?
Oder, wie Zweifel ihm im Dunkel der Nacht so gern zuflüsterte: Hatte sie viel hinterhältigere Pläne? War sie ein Köder, eine außergewöhnlich überzeugende Falle der Jäger? Eine Falle, die ihn zerstören
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