Die Herren der Unterwelt 05 - Schwarze Leidenschaft
sie hinein“, befahl Galen. „Fahr in sie hinein, und deine Qual wird ein Ende haben. Du wirst endlich einen Wirt haben. Du wirst endlich fühlen, riechen und schmecken können. Erinnerst du dich nicht mehr, wie wunderbar das ist? Endlich wirst du in der Lage sein, das Vertrauen der Menschen zu zerstören, es zu zerfetzen – so, wie es deine Bestimmung ist.
Das Vertrauen der Menschen zerstören. So, wie es Misstrauens Bestimmung war. Nein, dachte er wieder.
Der Geist stöhnte und sprang noch gehetzter hin und her. Er war eindeutig aufgewühlt. Wusste er, was vor sich ging? Wollte er einen anderen Wirt? Oder war er dem Wahnsinn schon viel zu sehr verfallen, um zu verstehen?
„Bitte“, flehte die Frau. „Ich brauche dich. Ich brauche dich so sehr.“
Aha. Sie wollte es also. Was allerdings nicht bedeutete, dass sie wusste, was mit ihr geschähe, wenn sich ihr Wunsch erfüllte. Mindestens ein Jahrhundert lang bliebe von der Person, die sie im Augenblick noch war, nichts übrig. Sie würde durch und durch Dämon sein, und viele Menschen würden deshalb leiden müssen.
„Tu es“, fuhr Galen fort. „Das ist es doch, was du willst und brauchst. Du brauchst sie nur zu berühren, und schon wirst du Erleichterung erfahren. Könnte es etwas Leichteres geben?“
Ob der Dämon ihn wohl versteht? fragte Strider sich wieder. Als Hüter der Hoffnung war Galen in der Lage, jeden und alles dazu zu bringen, sich nach einer Zukunft zu sehnen, die er ohne seinen Einfluss nie gewollt hätte. Selbst einen Dämon. Auf diese Weise hatte er seine Jäger geformt. Er hatte sie davon überzeugt, dass die Welt ohne die Herren ein besserer Ort wäre. Eine Utopie von Frieden und Wohlstand.
Galens überzeugendes Säuseln zeigte sogar bei Strider Wirkung. Auf einmal wollte er die Frau berühren. Das brächte ihm Erleichterung … seine Zukunft wäre sicher … besser …
Der Dämon schoss zu der Frau hinab, änderte seine Meinung und schoss wieder in die andere Richtung. Oh ja. Er verstand.
Tu es nicht, schrie Strider dem Wesen stumm zu. Er wollte seinen Freund zurück, natürlich. Mehr als alles andere auf der Welt. Und auf gewisse Weise war der Dämon Misstrauen sein Freund. Wesen von Baden hin oder her. Er wollte nicht, dass sein Freund im Körper eines Feindes wohnte.
„Tu es!“, knurrte Galen. „Tu es! Jetzt.“
Unaufhörlich kreiste der Geist an der Zimmerdecke umher.
Dann warf Galen ungeduldig die Hände in die Luft. „Na schön. Vergiss es. Du kannst den Rest der Ewigkeit genauso verbringen wie die letzten tausend Jahre. Elend. Hungrig. Unerfüllt. Wir gehen.“ Er streckte die Hand aus, um die Fesseln der Frau zu lösen.
Da erklang noch ein Ächzen, dann ein Knurren, und im nächsten Moment schoss der Geist wieder von einer Ecke zur nächsten, wurde immer schneller, bis er nur noch ein unscharfer Streifen war. Dann fiel er … und drang in den Bauch der Frau ein.
Wäre sie nicht festgebunden gewesen, sie hätte sich selbst verletzt, so heftig zuckte sie auf einmal. Und mit jeder Sekunde, die verstrich, wurde das Zucken heftiger. Sie grunzte und stöhnte, ihre Muskeln verkrampften sich, ihre Gesichtszüge verzerrten sich. Dann begannen die Schreie.
Nein. Götterverdammt, nein. Strider wäre am liebsten auf die Knie gefallen.
Galen lächelte ein böses, zufriedenes Lächeln. „Es ist vollbracht. Endlich. Jetzt brauchen wir nur noch abzuwarten, ob sie überlebt.“
Die Zimmertür schwang auf, und herein kam eine Gruppe seiner Anhänger. Was für ein perfektes Timing. Sie mussten das Geschehen irgendwo in der Nähe über einen Monitor verfolgt haben.
„Kehren wir zum Tempel zurück, großer Meister?“, fragte der Mann an der Spitze.
Galens Antwort ging unter, als das Bild blass wurde und schließlich komplett verschwand.
Die Zeit schien stehen zu bleiben, gefangen in einem Netz aus Entsetzen und Schrecken.
Sabin war der Erste, der den Schock abschüttelte. „Was, zur Hölle, ist da gerade passiert?“
Was passiert war? Die Tore zur Hölle hatten sich soeben geöffnet, und das Horrorszenario, das er zigmal im Geiste durchgespielt hatte, war plötzlich Wirklichkeit geworden.
Wenn die Frau überlebte, würden die Jäger von nun an aufs Ganze gehen. Genau wie Strider es befürchtet hatte. Sie würden sich nicht länger damit zufriedengeben, die Herren nur zu verletzen. Sie wären darauf aus, sie zu töten. Und wenn die Dämonen der Krieger erst befreit wären, würden sie eingefangen, mit jemand anderem
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