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Die Herren der Unterwelt Bd. 8 - Schwarze Niederlage

Die Herren der Unterwelt Bd. 8 - Schwarze Niederlage

Titel: Die Herren der Unterwelt Bd. 8 - Schwarze Niederlage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gena Showalter
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aus seinem Kopf verbannte, ließ der Schmerz nach.
    Er atmete ein und aus. Seine Gedanken wurden nebulös und wieder klar. Dann konnte er sich nicht mehr daran erinnern, was ihn überhaupt so aufgewühlt hatte. Na ja. Ein und aus. Ein, aus. Klarer und klarer. In der Luft lag der süße Duft von Ambrosia. Damit die Besucher gefügig blieben?
    Wenn das doch nur bei ihm funktionieren würde. Doch die Göttinnen, die hier lebten, hätten Benzin durch die Lüftung pumpen können, und es hätte ihn nicht beeinflusst. Sein Dämon liebte alles Unaufrichtige, Verstohlene und potenziell Lebensbedrohliche. Und vielleicht, nur vielleicht, würde diese Liebe den Bastard davon abhalten, den Boden aufzubrechen, auf dem Kane stand. Oder die Decke über ihm aufzureißen. Vielleicht war sein Durst nach Unglück noch eine kleine Weile gestillt.
    Ein Mann konnte doch wenigstens hoffen.
    Kane setzte sich wieder in Bewegung. Er hatte ein Ziel, nicht wahr? Oh ja. Die Moiren hatten ihn gerufen. Warum zum Teufel hatten sie ihn gerufen?
    Was auch immer der Grund sein mochte, er lächelte wie ein braver kleiner Junge. Er wollte die Moiren nämlich auf keinen Fall verärgern, und bei seiner momentanen Was-verdammt-noch-mal-geht-hier-vor-Stimmung musste er besonders vorsichtig sein. Sie waren weder Griechinnen noch Titanen – er wusste nicht, was sie waren – und dennoch hatte kein Göttergeschlecht je die Hand gegen die drei Frauen erhoben, die hier lebten, und das würde auch nie geschehen. Denn die Moiren waren Schicksalsgöttinnen. Sie spannen und sie webten, und die Szenen, die sie erschufen, geschahen immer. Ohne Ausnahme.
    Noch nie hatte sich ihnen irgendwer genähert, wenn sie ihn nicht gerufen hatten. Nicht mal Cronus, der Götterkönig. Und in all den Jahrhunderten seines langen Lebens war Kane niemals jemandem begegnet, den dieser Ruf ereilt hatte. Bis heute. Und er, Katastrophe , war der glückliche Empfänger.
    Er war gerade aus der Stadt zurückgekommen, wo er die ganze Nacht nach Jägern gesucht hatte. Nachdem er keinen gefunden hatte – anscheinend hatte Strider, dieser gierige Kerl, vor seiner Abreise alle abgemurkst –, war er sogleich ins Bett gefallen, ohne sich seiner Waffen oder Stiefel zu entledigen. Noch ehe er das Licht ausgeschaltet hatte, entfaltete sich eine leuchtende Schnur von seiner Decke, an dessen Ende eine vergilbte Schriftrolle hing.
    Er hatte das Pergament gelesen und war genauso verwirrt gewesen wie jetzt. Das Ding war eine Kreuzung zwischen Hochzeitseinladung und Arzneimittelpackungsbeilage und zudem in Altgriechisch verfasst.
    Sie sind herzlich in den Schicksalstempel eingeladen.
    Bei Nichterscheinen möglicherweise Enthauptung oder Tod.
    Enthauptung oder Tod? Wirklich? Im nächsten Moment war seine Umgebung verschwunden, und er hatte sich in besagtemTempel wiedergefunden, um ihn herum diese Fadenwände. Er hatte sich in Bewegung gesetzt, da er dachte, jegliches Zögern seinerseits hätte besagte Enthauptung zur Folge. Oder besagten Tod.
    Während er also wusste, wo er sich befand, wusste er noch immer nicht, warum er hier war. Warum er? Warum jetzt?
    Das würde er vermutlich noch erfahren.
    Der Bilderteppich an der Wand schien endlos weiterzugehen, aber plötzlich – leider? – erreichte Kane das Ende und betrat ein … Webzimmer? Drei Frauen – oder besser: drei alte Weiber – saßen vornübergebeugt auf Holzpfeilern. Die fisseligen, weißen Haare fielen ihnen über die Schultern. Alle drei trugen makellose, weiße Roben, die kein bisschen zerknittert waren.
    Die mit den Altersflecken auf den Händen – dank der Legenden, die sich um die drei rankten, wusste er, dass sie Klotho hieß – spann die Fäden. Die mit den knorrigen Fingern, Lachesis, webte die Fäden zusammen, und die mit den pupillenlosen Augen, Atropos, schnitt die Enden ab.
    Schweigend presste Kane die Lippen zusammen. Aus Respekt vor einer Macht, die weit größer war als seine eigene, wartete er, bis man ihn bemerkte. Vielleicht haben sie mich deshalb auserwählt, dachte er. Keiner der anderen Herren hätte sie mit der gebotenen Achtung behandelt, weshalb sie bestraft worden wären.
    Wenn er doch nur die Wahrheit gekannt hätte. Er mochte wissen, wie man andere respektvoll behandelte, aber im Grunde war er der größte Chaot der Truppe. Derjenige, der nichts richtig machte. Derjenige, der meist zurückgelassen wurde, weil er dazu neigte, mehr Schaden anzurichten als zu helfen. Dennoch hörte er nicht ein Mal auf zu lächeln.

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