Die Herren der Unterwelt Bd. 8 - Schwarze Niederlage
Weder hier noch in Gegenwart seiner Freunde. Er wollte nicht, dass sie die Wahrheit erfuhren. Sie sollten nicht erfahren, dass er in seinem Innern nichts weiter war als ein großer qualmender Chaoshaufen.
Meistens funktionierte er via Autopilot. Wenn sein Dämon ihm zu viel wurde – wenn ihn das Verlangen erfüllte, etwas auszulöschen, zu vergessen, loszulassen, sich zu verstellen –, tat er … Dinge. Zerstörte er Sachen.
Sabin, der Hüter von Zweifel und zugleich der Krieger, dem Kane geradewegs in die Hölle gefolgt wäre, wusste das. Aber Sabin war auch der Einzige. Er profitierte sogar von Kanes Gewalt – was nicht weiter verwunderlich war – und half ihm, sie zu kanalisieren. Bevor er mit seiner Frau abgereist war, hatte Sabin ihm ein kleines Geschenk dagelassen. Ein Teil von ihm wollte unbedingt zurück zur Burg, um zu tun, was getan werden musste. Der andere Teil zeigte sich zufrieden damit, hierzubleiben und abzuwarten. Immerhin hatte er das Geschenk links liegen lassen und war stattdessen in die Stadt geeilt, weil er dachte, der Versuchung auf diese Art widerstehen zu können. Er hatte sogar vorgehabt, nach seiner Rückkehr ein Schläfchen zu machen. Alles, um seine Seele vor weiterem Schaden zu bewahren. Doch wie lange wäre er stark geblieben?
Eine, vielleicht zwei Stunden stand er da und wartete darauf, dass man ihn bemerkte. Für gewöhnlich bewirkte mangelnde Aktivität, dass sein Dämon handeln musste und irgendeine Katastrophe heraufbeschwor. Oder mehrere. Vielleicht lag es am Ambrosia, oder vielleicht hatte sein Dämon genauso große Angst vor den Weibern wie alle anderen. Zumindest benahm Katastrophe sich wie ein Musterschüler. Er summte nicht mal in Kanes Kopf, obwohl das Geräusch normalerweise nur selten verstummte.
„Warum bist du hier, Junge?“, fragte Klotho endlich mit rauchiger Stimme und ohne von der Arbeit aufzusehen.
Äh, wie jetzt? „Ich habe Eure Einladung erhalten“, erwiderte er und fügte schnell hinzu: „My Lady.“ Götter, was war er nur für ein Arschkriecher. Aber ein Mann musste tun, was ein Mann tun musste. Zwar trug er seinen Tiefschutz, doch hieß das noch lange nicht, dass er sich ein Schild mit der Aufforderung, ihn zu treten, an die Eier hängen musste.
„Dich eingeladen? Das ist schon Abertausende von Jahren her“, entgegnete Lachesis. „Da bin ich mir sicher.“
„Sicher“, wiederholte Atropos wie ein Echo. „Dennoch bist du nie gekommen.“
„Weshalb deine Einladung für ungültig erklärt wurde.“
„Du darfst auf demselben Weg gehen, auf dem du gekommen bist.“
Er sah sie mit offenem Mund an. Sie hatten ihn vor Abertausenden von Jahren eingeladen? Warum hatten sie ihn als Bestrafung für sein Nichterscheinen dann nicht enthauptet? „Ich möchte nicht respektlos erscheinen, aber ich habe eben gerade erst Eure freundliche Einladung erhalten.“
„Nicht unsere Schuld.“
„Wahrscheinlich warst du unaufmerksam.“
„Vielleicht lernst du nun, aufmerksamer zu sein.“
„Du darfst auf demselben Weg gehen, auf dem du gekommen bist.“
Achtung war eine Sache. Unbefriedigte Neugier eine andere. Außerdem – wenn sie ihn hergebracht hatten, um ihm weise Worte mitzuteilen, die ihm und seinen Freunden das Leben retten könnten, oder um ihn zu warnen, wollte er diese Worte verdammt noch mal auch hören. Deshalb ginge er auch nicht ohne sie.
„Darf ich Euch die Informationen abkaufen?“, fragte er.
„Welche Informationen?“
„Wer hat etwas von Informationen gesagt?“
„Du bist verrückt, nicht wahr?“
„Du darfst auf demselben Weg gehen, auf dem du gekommen bist.“
Er presste die Zunge gegen seine Schneidezähne. „Wenn Ihr mir vor Abertausenden von Jahren keine Information zuteil werden lassen wolltet …“, er bemühte sich, nicht wütend zu klingen, „… warum habt Ihr mich dann gerufen?“ Dieselbe Frage, nur andersrum gestellt. Na los, schluckt den Köder. Sagt es mir.
„Klotho, erinnerst du dich noch an das letzte Mal, als jemand versucht hat, uns schwindelig zu reden?“
„Oh ja, Lachesis. Wir haben sie in das Endlose eingewebt.“
In das endlose was?
„Vielleicht hat sie ihre Lektion gelernt.“
„Vielleicht hat sie ihre Lektion nicht gelernt.“
„ Sie ist nicht auf demselben Weg gegangen, auf dem sie gekommen ist.“
„Wer ist ‚sie‘?“, fragte er, um seine Stellung zu behaupten. Vielleicht war das ein dämlicher Schachzug, aber er konnte nicht auf demselben Weg gehen, auf dem er gekommen
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