Die Herren der Zeit
Talmond in die Stille hinein, »macht doch, was ihr wollt. Ich geh zurück nach Thurion –«
»– wo ein Preis auf seinen Kopf ausgesetzt ist –«, warf eine Stimme aus der Dunkelheit ein.
»– dorthin, wo man einen Mann wie mich zu schätzen weiß –«
»– bei den Huren, solange das Geld reicht –«, fuhr die Stimme fort.
»– irgendwohin, wo ich euch alle nicht mehr sehn muss«, endete Talmond trotzig.
»So spricht ein Mann, der nur das glaubt, was er sieht«, sprach die Stimme aus dem Dunkel.
Talmond fuhr herum. »Wer war das, verdammt noch mal?«, fluchte er. »Zeig dich, du Bastard. Wo verkriechst du dich, Feigling? Oder muss ich erst kommen und dich bei den Haaren herbeischleifen?«
»Dazu besteht keine Not«, sprach die Stimme, klarer nun und näher. Alle starrten wie gebannt auf den Punkt, von dem sie erklang. »Ich bin schon hier.«
Er kam aus der Dunkelheit, doch er brachte das Licht mit sich. Ein Leuchten ging von ihm aus, das mehr war als nur das bloße Zurückdrängen der Finsternis. Die Seidenbahnen des Pavillons bauschten sich in dem Sonnenwind, der von ihm ausströmte. Er war hochgewachsen, in ein weißes, schimmerndes Gewand gekleidet, das ihn zu umfließen schien, und sein Haar war lang und weich und golden. Doch all dies verblasste vor seinem Antlitz. Es war noch jung und zugleich uralt. Weisheit stand darin geschrieben und das Licht der Sterne aus jener Zeit, als die Welt noch neu war. Doch in seinem Blick lag zugleich eine tiefe Trauer über das Leid, das die Kinder dieser Welt über sich selbst brachten.
»Es war einmal ein Gutsherr«, begann er, »in einem kleinen Flecken namens Thurn. Seit vielen Generationen hatten die Herren von Thurn über jenen Ort geherrscht. Sie herrschten wie Väter über eine Familie, und die Pächter und die Bauern der Umgebung und selbst die Handwerker und die Kaufherren, die sich dort angesiedelt hatten, schätzten sie und vertrauten ihnen. Denn welche Fehler der Ritter von Thuryn, wie man ihn bald nannte, auch haben mochte, er war doch stets im Grunde seines Herzens ein Mann der Gerechtigkeit. Und so wuchs der Markt zur Stadt, der man den Namen Thurion gab, so wie der ganzen Grafschaft, die sie umgab.«
Talmond stand wie vom Blitz gerührt; er bewegte keinen Muskel, so als habe ihn von einem Augenblick auf den anderen alle Kraft verlassen. In dem schimmernden Licht waren seine Augen wie dunkle Höhlen, und der Fackelschein, der ihn umspielte, tauchte seine Gestalt in Rauch und Blut.
»Dann kamen die Dunkelelben über die Berge. Sie kamen mit Tod und Verderben, und ihre Sklaven, die Bolgs, brachten Feuer und das Schwert in jene friedliche Stadt am Rande des Flusses. Und die Bürger öffneten ihnen die Tore und unterwarfen sich. Doch der Graf von Thurion hatte noch nie vor einem anderen sein Haupt gebeugt. So leistete er Widerstand, bis zum Äußersten, und seine Gefolgsleute mit ihm. Und während er sich mit den Bolgs einen erbitterten Kampf lieferte, kamen die Dunkelelben bei Nacht. Sie zündeten das Haus des Grafen an, und seine Frau und seine Kinder verbrannten in den Flammen.«
Talmond hatte den Kopf gehoben. Seine Augen starrten blind. Tränen strömten über seine Wangen.
»Danach ist er in die Wälder gegangen. Die Menschen in der Stadt schützten ihn noch, weil er einst der Ritter von Thuryn war, aber sie schätzten ihn nicht mehr. Er wurde ein Räuber und Wegelagerer. Er nahm sich, was er kriegen konnte. Alles andere interessierte ihn nicht mehr. Das Geld, das erbeutete, brachte er im Hurenhaus durch, und seine eigenen Leute ließ er darben. Er war bitter geworden, weil er für sich selbst keine Zukunft mehr sah.«
Talmonds Stimme war rau wie Asche. »Woher weißt du das alles?«, fragte er. »Wer bist du?«
»Ich bin Arandur Elohim, der Sohn des Morgens, der Erstgeborene unter den Erweckten«, sprach der Hohe Elbenfürst. »Aus dem Geist des Herrn und der Herrin bin ich erstanden, am ersten Tag der Schöpfung. Tausend Jahre und einen Tag währt meine Herrschaft, und ein Tag ist wie tausend in der Überwelt, wo ich regiere. Aus der fernen Vergangenheit bin ich gekommen, um dir deine Zukunft zurückzugeben.«
Alle lauschten sie wie gebannt den Worten, die von den Lippen des Hohen Elbenfürsten kamen, wie klares Wasser, das in einen kristallenen Teich fällt, dort, wo zuvor noch Dürre gewesen war. Eine der Frauen schluchzte vernehmlich; auch mancher der Männer war den Tränen nahe. Die Elben standen stumm, mit großen Augen, in
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