Die Herren des Nordens
sagen, und das Wesentliche davon war, dass fünfhundert schlecht
ausgebildete Männer auch nicht annähernd reichten, um Eoferwic einzunehmen, falls Egbert vorhatte, sich zu verteidigen.
Doch Egbert war in einer verzweifelten Lage. Es gibt da in einem heiligen Buch der Christen diese Geschichte von einem König,
der irgendeine Schrift an der Wand gesehen hat. Ich habe die Geschichte schon einige Male gehört, aber ich kann mich an die
Einzelheiten nicht erinnern, außer, dass es um einen König ging und dass Worte an seiner Wand standen und dass er sich davor
fürchtete. Ich glaube, der Christengott hatte die Worte geschrieben, doch nicht einmal das weiß ich noch genau. Ich könnte
den Priester meiner Frau holen lassen, denn ich gestatte ihr heute, solch einen Kerl zu beschäftigen, und ihn könnte ich nach
den Einzelheiten fragen, aber er würde bloß vor mir auf dem Bauch rutschen und um eine höhere Zuteilung von Fisch, Bier und
Feuerholz für seine Familie betteln. Und weil ich das nicht will, sind die Einzelheiten |146| jetzt nicht so wichtig. Da war ein König, an seiner Wand standen Worte geschrieben, und die Worte erschreckten ihn.
Es war Willibald, von dem ich diese Geschichte zuerst hörte. Er weinte, als wir in die Stadt kamen, es waren Tränen der Freude,
und als er erfuhr, dass uns Egbert keinen Widerstand leisten würde, begann er zu rufen, dass der König die Schrift an der
Wand erkannt hatte. Immer und immer wieder rief er das, und damals verstand ich nicht, was es bedeuten sollte. Aber jetzt
weiß ich, was er sagen wollte. Er wollte sagen, dass Egbert seine Niederlage erkannt hatte, noch bevor der Kampf überhaupt
anfing.
In Eoferwic war Ivarrs Rückkehr erwartet worden, und viele der Bewohner hatten die Stadt verlassen, weil sie sich vor der
Rache der Dänen fürchteten. Egbert hatte natürlich eine Leibwache, doch die meisten seiner Leute waren ebenfalls geflüchtet.
Danach zählte seine Haustruppe nur noch achtundzwanzig Männer, und von diesen wollte keiner für einen König mit einer Schrift
an der Wand sterben. Die Bewohner von Eoferwic, die sich nicht zur Flucht entschlossen hatten, waren nicht in der rechten
Stimmung, um die Tore zu verbarrikadieren oder den Festungswall zu bemannen, und so zog Guthreds Heer in Eoferwic ein, ohne
auf den geringsten Widerstand zu stoßen. Wir wurden sogar willkommen geheißen. Ich glaube, das Volk von Eoferwic dachte, wir
wären gekommen, um die Stadt gegen Ivarr zu verteidigen, und nicht, um Egbert die Krone zu nehmen. Aber sogar als sie erfuhren,
dass sie einen neuen König hatten, waren sie zufrieden. Was ihnen am besten gefiel, war natürlich die Anwesenheit Sankt Cuthberts.
Eadred lehnte den Sarg des Heiligen in der Kirche des Erzbischofs schräg an die Wand und öffnete den Deckel. |147| Die Leute drängten sich in Scharen herein, um den toten Mann zu sehen und zu ihm zu beten.
Wulfhere, der Erzbischof, war nicht in der Stadt, doch Pater Hrothweard war immer noch da, und er predigte immer noch den
Wahnsinn. Er stellte sich sofort auf Eadreds Seite. Ich vermute, auch er hatte die Schrift an der Wand gesehen. Das Einzige,
was ich sah, waren Kreuze, die in Eingangstüren geschnitten worden waren. Sie sollten wohl zeigen, dass in diesen Häusern
Christen lebten, aber auch die meisten überlebenden Dänen schnitzten zum Schutz vor Plünderern Kreuze in ihre Türen, und Guthreds
Männer wollten plündern. Eadred hatte ihnen wollüstige Frauen und Berge von Silber versprochen, doch nun trachtete der Abt
mit allem Eifer danach, die Christen Eoferwics vor Guthreds Dänen zu schützen. Daraufhin gab es Streitereien, doch viele waren
es nicht. Die Leute von Eoferwic waren vernünftig genug, lieber ein paar Münzen, Verpflegung und Bier zu verteilen, als sich
ausrauben zu lassen. Außerdem fand Guthred im Palas einige Truhen mit Silber und gab das Geld an seine Streitmacht aus, und
weil es außerdem in den Gasthäusern genügend Bier gab, waren die Männer von Cumbrien erst einmal zufrieden.
«Was würde Alfred jetzt tun», fragte mich Guthred an unserem ersten Abend in Eoferwic. An diese Frage gewöhnte ich mich langsam,
denn Guthred war zu der Überzeugung gekommen, Alfred sei ein König, dem es nachzueifern gelte. Dieses Mal ging es bei seiner
Frage um Egbert, der in seinem Schlafzimmer aufgespürt worden war. Sie hatten Egbert in den großen Saal gezerrt, wo er auf
die Knie gefallen war und
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