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Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Domeier
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hatte er sie durch eine vorlaute Bemerkung wieder gegen sich aufgebracht. Genau das hatte er nicht gewollt. Sie ließ sich so leicht aus der Fassung bringen. Ludolf schaute in seinen Beutel. Seine Mutter hatte ihm wieder die leckeren, kleinen Waffeln eingepackt. Er zog zwei Stück hervor, ging zu Agnes hinüber und setzte sich neben sie. Sie sah ihn erstaunt an, als er ihr das Backwerk anbot. »Bitte, lass uns Frieden schließen. Ich möchte nicht schon wieder mit dir streiten. Nimm doch eine Waffel. Sie werden dir schmecken.«
    Zögernd griff sie zu. »Danke«, antwortete sie leise.
    Schweigend saßen die beiden nebeneinander und aßen. Die Waffeln schmeckten Agnes. Im Grunde war es eine Bestechung, jedoch wäre es unhöflich gewesen, hätte er ihr keine angeboten.
    »Kennst du die Geschichte vom goldenen Nagel?«, fragte Ludolf unvermittelt.
    Agnes hielt im Kauen inne und schüttelte den Kopf. Irgendwie kam ihr die Frage verdächtig vor. Wollte er wieder anfangen zu streiten? Dann hätte er sich das Geschenk sparen können. »Womit willst du mich jetzt schon wieder ärgern?«
    »Nein, nein. Bestimmt nicht. Nur eine kleine Geschichte: Vor ein paar Jahren traf mein Vater einen außergewöhnlichen Mann. Dieser Mann hatte dort, wo alle anderen Menschen einen Bauchnabel haben, eine goldene Verzierung. Ungefähr so groß wie ein Schilling. Er pflegte dieses Stück Gold immer gut und polierte es jeden Tag. Dass er keinen Bauchnabel hatte, war für ihn nicht schlimm, denn er war damit aufgewachsen. Es kamen jedoch harte Zeiten, und das Geld wurde knapp. Der Mann hatte nichts mehr zu essen. Er verpfändete seinen Hausrat, schließlich das ganze Haus. Dann fällte er eine schwerwiegende Entscheidung. Er musste das goldene Stück aus seinem Nabel verkaufen. Er nahm eine Zange und versuchte es abzureißen. Ganz langsam löste es sich. Da sah er, dass es ein Nagel war. Ein goldener Nagel! Dafür würde er bestimmt noch mehr Geld bekommen. Er zog und zog. Dann endlich hatte er ihn ganz heraus. Der Nagel war fast zwei Spannen lang. – In diesem Augenblick fiel ihm sein Hintern ab.«
    Ungläubig starrte Agnes Ludolf an. Plötzlich prustete sie los. Eine selten dämliche Geschichte, aber gut erzählt. Ein paar Kuchenkrümel gerieten ihr vor lauter Lachen in die Luftröhre, sie verschluckte sich und musste husten. Trotzdem lachte sie weiter.
    Ludolf klopfte ihr auf den Rücken. »Du sollst das Gebäck essen und nicht einatmen.«
    Langsam beruhigte sich die junge Frau wieder. Sie räusperte sich ein paarmal und schüttelte den Kopf. Diese dämliche Geschichte passte zu ihm. »Das hat dein Vater doch nicht wirklich erlebt?«
    »Eine wahre Begebenheit.«
    »Na klar. Das glaube ich dir aufs Wort.«
    Er nickte nur. Hatte er es doch noch geschafft, einen Streit abzuwenden! Es war das erste Mal, dass sie über einen Scherz von ihm gelacht hatte. Könnte das doch öfter so sein! Schweigend beobachtete er, wie sie in sich hineinlächelnd den Rest ihres Gebäcks aß. Wenn sie lachte, war sie beinahe süß. Diese kleinen Fältchen schräg oberhalb der Mundwinkel zeigten deutlich, dass sie im Grunde gern lachte.
    »Ich denke, wir sollten jetzt weitergehen«, schlug Ludolf vor.
    Immer noch kichernd stand Agnes auf und packte ihren Proviantbeutel wieder auf den Karren. »Komm jetzt, du störrischer Esel«, rief sie über die Schulter nach hinten.
    Während er das Tier losband, erwiderte er: »Es ist eigentlich ein Maultier.«
    »Ich weiß. Das Maultier war auch nicht gemeint.«

Bei der Schalksburg
    Agnes und Ludolf standen auf dem Rücken eines kleinen Hügels hinter der Schalksburg. Von hier aus hatten sie einen guten Blick über den Ort und die Weserauen. Nach links in Richtung Süden sahen sie die Wälder und Felder in der Ebene mit dem Flusslauf, der wie flüssiges Metall schimmerte. Zu ihren Füßen lag die Burg. Sie konnten fast über die Mauer in den Burghof schauen. Durch einen Hohlweg ging es nun abwärts.
    Langsam erreichten sie die ersten Häuser. Ein kleiner Ort, der im Halbkreis um die Burg herum gebaut worden war und sich an die Hänge schmiegte. Die Burg selbst war nicht imposant, sie hatte schon ein paar Jahrhunderte hinter sich. Verschiedene Herren hatten die Gebäude und Mauern umgebaut und erneuert. Zur Kontrolle des Flusses hier am Weserdurchbruch konnte es kaum einen günstigeren Platz geben. Der Berg, an dessen Ausläufer die Burg lag, reichte bis ans Ufer und schützte wie ein riesiger Wall gegen Angreifer von Norden. Gen

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