Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)
durch mein Gelübde gebunden bin. Ich will auch nichts anderes. Und ich will weder jetzt noch später darüber reden, was eben zwischen uns war. Deshalb ist es am besten, wenn ich jetzt zur Nonne auf die Wittekindsburg gehe.«
»Agnes, bitte pass auf dich auf.«
»Das schaff ich schon.« Mit gesenktem Blick drehte sich Agnes um und wollte losgehen. Aber nach zwei Schritten blieb sie wieder stehen und schaute zurück. Ludolf stand da mit hängenden Schultern.
»Du kannst ja inzwischen das Dach in Ordnung bringen. Ich habe keine Lust, beim nächsten Regen völlig durchnässt zu werden. Und fall nicht wieder von der Leiter.« Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er entspannte sich augenblicklich.
»Du bist ja unterwegs, da kann doch nichts Schlimmes geschehen.«
»Nachher zeige ich dir dann, wie man es richtig macht.«
»Einverstanden. Dann habe auch ich endlich einen Grund zu lachen.«
»Pah!« Und schon ging sie davon.
Ludolf sah ihr auf dem Weg zur Weser hinterher. Ihr schwarzes Haar wehte im leichten Wind. Sie war wirklich hübsch. Aber so unberechenbar. Plötzlich hätte er sich sogar vorstellen können, mit ihr verheiratet zu sein. Wenn da nicht das Gelübde wäre ... Agnes hätte sicherlich auch seinem Vater gefallen. Durch eine Heirat würden sie mit der Familie der Ecksten verbunden sein. Das hätte natürliche viele Vorteile. So wären dann zwei Verwaltungsämter des Stiftes Möllenbeck miteinander verbunden. Versprochen war Ludolf allerdings bereits Anna Post, einem gerade mal vierzehn Jahre alten Mädchen. Es war schon alles mit der ihrer Familie geregelt. Im Besonderen natürlich das Wichtigste: die Mitgift, also Ländereien, Pachtansprüche, Geld. Auch der Termin stand schon fest. Zu Marci evangeliste 18 im nächsten Frühjahr würde Anna fünfzehn Jahre alt. Am Sonntag danach sollte dann das große Fest sein, ein mehrere Tage dauerndes Feiern, Essen und Trinken auf Kosten der Brauteltern. Aber derzeit war Anna noch ein Kind. Spindeldürr und noch mit Puppen spielend. Kurz vor der Trauung müsste man ihr bestimmt noch erklären, woher die Kinder kommen. Er würde nicht Ehemann, sondern Kindermädchen werden.
Mit einem tiefen Seufzer machte sich Ludolf wieder an die Arbeit an dem undichten Dach. Er ging in den Schuppen und holte die Strohgarben und die Reisigbündel, um damit die Löcher zu stopfen. Hoffentlich bekam er heute noch einiges geschafft, damit er sich in den nächsten Tagen wieder dem eigentlichen Auftrag widmen konnte.
Mit den Bündeln unter beiden Armen kam Ludolf wieder zur Vorderseite des Hauses und warf sie neben die Leiter. Er sortierte das Stroh und öffnete die Garben. Erst jetzt bemerkte er, dass jemand am Weg stand und ihn beobachtete. Offensichtlich ein Priester. Er war von kleiner, rundlicher Gestalt und mit einer schwarzen Kutte bekleidet. Ein Rosenkranz hing an dem Strick, den er wie einen Gürtel umgebunden hatte. Eigentlich hing der Strick eher unter dem kugelrunden Bauch. Der Geistliche hatte ein freundliches, offenes Lächeln.
»Seid gegrüßt, mein Sohn!«, rief der Besucher herüber und kam langsam auf Ludolf zu. Er stellte sich als Anno von Dankersen vor.
»Ihr seid unser neuer Tischler, nicht wahr?«, fragte der Pater freundlich.
Der junge Mann bejahte.
»Ich habe heute Morgen schon mit Eurer Frau gesprochen. Sie ist sehr nett und freundlich, brav und wohlerzogen. Ihr müsst glücklich sein, solch ein vorbildliches Eheweib zu haben. Und dazu noch frisch verheiratet.«
Am liebsten hätte Ludolf jetzt laut losgelacht. Agnes nett? Brav? Vorbildlich? Diese Eigenschaften hätte er auch gern einmal erlebt.
Pater Anno schaute mit prüfendem Blick auf das Haus. Er kratzte sich nachdenklich die Tonsur.
»Die Hütte muss dringend ausgebessert werden. Seit einigen Jahren hat hier keiner mehr gewohnt.«
»Zum Glück haben wir im Moment keinen Regen.«
»Gab es denn kein anderes Haus für Euch?«
»Ich weiß nicht. Wir haben es vom Bischof gepachtet, und der Amtmann hat es uns übergeben.«
Der Priester brummte etwas Unverständliches vor sich hin.
»Was ist?«, hakte Ludolf nach. »Ich habe Euch nicht verstanden.«
Verschämt blickte Anno von Dankersen zu Boden und winkte ab. »Ich habe leider eine schlimme Schwäche. Manchmal ist mein Mund schneller als meine Gedanken. Mir liegt etwas auf der Zunge, und ich sage dann Dinge, die ich später bereue. Irgendwann wird mich unser Herr im Himmel dafür noch bestrafen.«
»Erinnert Ihr Euch an Petrus im Garten
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