Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Können wir sie sprechen?«
Die junge Novizin erstarrte. Unruhig schaute sie abwechselnd auf Agnes und auf Ludolf.
Ludolf fragte deshalb: »Ist die Frau schon wieder fort? Ihr scheint so erschrocken.«
»Nein. Äh ... das heißt ... ich ... ich glaube, ich führe Euch besser zu Schwester Maria. Sie kann Euch das besser erklären.«
Und schon drehte sie sich um und winkte den beiden, ihr zu folgen. Sie ging so rasch, dass sie keine Möglichkeit hatten, weitere Fragen zu stellen.
»Was soll das?«, flüsterte Agnes hastig.
Ludolf zuckte nur die Schultern. Was war geschehen, das die Ordensfrau so erschrecken ließ? Schlimme Vorahnungen beschlichen Agnes und Ludolf. Ging es Kuneke immer noch schlecht? Hatte sie ihr Gedächtnis verloren? Oder war sie durch die Verwundung entsetzlich entstellt worden? Oder ...? Lieber nicht an diese endgültige Möglichkeit denken.
Die drei stiegen eine steile Treppe empor und liefen einen schmalen, dunklen Gang entlang, der nur schwach von einigen kleinen Fenstern erhellt wurde. Am Ende des Gangs klopfte die Novizin an eine Tür. Nach einem kurzen Ja bitte? traten sie hinein. Sofort verschwand die junge Frau wieder. An einem schlichten, kleinen Tisch saß eine ältere Frau in der üblichen Ordenstracht der Benediktinerinnen. Der Raum war kaum sechs Ellen lang und breit. Die anderen Möbel waren: ein Bett, ein Schrank und immerhin drei Stühle. Die Nonne schien also öfter hier Besuch zu empfangen.
Als sie sah, dass Fremde hereingekommen waren, stand sie auf und ging ihnen entgegen. Zur Begrüßung neigte sie leicht den Kopf. »Guten Tag. Ich bin Schwester Maria und beaufsichtige die Schwestern hier im Hospital. Womit darf ich Euch dienen?«
Ludolf und Agnes stellten sich unter den vom Bischof angeordneten Namen vor und wiederholten ihr Gesuch.
Schwester Maria machte ein besorgtes Gesicht und bat die beiden, Platz zu nehmen. »Ja, diese arme Frau ist vor etwas mehr als zwei Wochen zu uns gebracht worden. Ihr war sehr übel mitgespielt worden. Sie hatte schwere Schläge auf den Kopf bekommen. Wir sahen sofort, dass es hier um Leben und Tod ging. Wir haben uns auf der Stelle um sie gekümmert.«
»Können wir die Frau sprechen?«
»Es tut mir leid. Die Verletzungen waren zu stark. Ihr Schädel war mehrfach gebrochen, und sie hatte sehr viel Blut verloren. Sie ist noch am gleichen Tag verstorben.«
Agnes stieß ein leises Wimmern aus und schlug die Hände vors Gesicht. Dann bekreuzigte sie sich, faltete die Hände und murmelte ein Ave Maria.
Die Nonne beobachtete dies wohlwollend und wartete geduldig, bis Agnes zum Ende gekommen war. »Könnt Ihr mir mehr über die Frau sagen?«
Agnes rollten Tränen über die Wange. Mit einer energischen Geste wischte sie sie weg. Sie wusste nicht, ob sie so traurig war, weil Kuneke tot war oder weil sich ihre Suche gerade als gescheitert herausgestellt hatte. Was sollten sie jetzt dem Bischof sagen? Sie hatten zwar die Gesuchte gefunden, aber nur tot. Das konnte und durfte nicht das Ende sein. Wer war der Mörder? Wer hat Kuneke so sehr gehasst, dass er sie erschlug?
Da Agnes noch nicht imstande war zu sprechen, erzählte Ludolf ein wenig über Kuneke. Die Nonne nickte nachdenklich. Besonders bei der Erwähnung der beiden zurückgelassenen Kinder seufzte sie schwer.
»Schrecklich, die beiden Kinder sind nun ohne Vater und Mutter. Werden sie denn jetzt versorgt? Gibt es Verwandte?«
»Ja. Die Mutter der Kuneke Wiegand kümmert sich um die beiden.«
»Gesegnet sei der Herr für seine Gnade.«
»Ist sie vor ihrem Tod noch ...«, Agnes sucht verlegen nach den richtigen Worten. »Hat jemand sie unkeusch ...?«
Schwester Maria schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Wir haben keine Spuren gefunden, die auf einen Missbrauch schließen lassen. Nur die Wunden am Kopf.«
»Gott sei Dank, wenigstens das blieb ihr erspart. Hat die Frau noch irgendetwas gesagt, bevor sie starb? Wer ihr das angetan hat?«
»Sie konnte kaum noch sprechen. Sie war zu schwach. Zwischen wenigen lichten Momenten hat sie immer wieder das Bewusstsein verloren. Aber macht Euch keine Sorgen, der Allmächtige wird schon Wege und Mittel finden, um den Bösewicht für seine Untat zu bestrafen. Da bin ich mir ganz sicher. Das Einzige, was sie noch herausbrachte, war die Bitte um einen Pater. In diesen mehr gehauchten als gesprochenen Worten haben wir eigentlich nur den Namen Pater Caspar verstanden und deshalb den Kustos des Domkapitels, den Pater Caspar von Ilse, kommen lassen.
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