Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)
ihre Mutter sicher zu schätzen wissen. Dann griff Agnes in die Tasche ihres Rockes und holte zwei Schillinge heraus. »Für Eure gute Pflege und Eure Nächstenliebe. Ihr werdet das Geld sicherlich gut gebrauchen können. Ich wollte, ich könnte mehr tun.«
»Seid dafür gesegnet. Damit tut Ihr schon mehr als die meisten.«
Mit diesen Worten verließen Agnes und Ludolf Schwester Maria. Die junge, blasse Novizin hatte auf dem Flur gewartet und führte die Besucher wieder hinaus.
Beratung
Langsam stolperten Ludolf und Agnes durch das Simeonstor. Ohne sich darüber Gedanken zu machen, nahmen sie den gleichen Weg zurück, auf dem sie vor kurzer Zeit zum Hospital geeilt waren. Sie sprachen kein Wort. Was auch? Am Mittag waren sie noch voller Hoffnung gewesen, Kuneke bald lebend zu sehen. Doch leider ... Die schlimmsten Ahnungen waren zur bitteren Wahrheit geworden. So gerne hätten sie dem Bischof hier in Minden und der Familie bei der Burg eine freudige Botschaft überbracht. Nun würden die armen Kinder als Waisen bei der Großmutter aufwachsen müssen.
Agnes unterbrach die Stille. »Ich denke, wir sollten zum Bischof gehen. Den Auftrag haben wir erledigt. Er muss nun entscheiden, ob wir auch nach dem Schuldigen suchen sollen oder nicht. Vielleicht will er die Verfolgung und die Bestrafung selbst in die Hand nehmen. Wir haben doch von so etwas keine Ahnung.«
»Von der Suche hatten wir bisher auch keine Ahnung. Wir haben es aber getan. Und zwar ziemlich erfolgreich. Ich bin der Meinung, wir machen weiter. Für alles, was geschieht, gibt es einen Grund. Ohne diesen wäre Kuneke nicht getötet worden. Und den will ich rauskriegen. Wie es so schön heißt: Nihil fit sine causa. Nichts geschieht ohne Grund.«
»Du hast zwar recht, aber dennoch ...«
»Willst du nicht auch wissen, wer sie umgebracht hat, und diesen Schurken seiner gerechten Strafe zuführen?«
»Schon. Aber ich habe auch Angst. Angenommen, wir suchen noch ein oder zwei Wochen und müssen dann zugeben, dass wir nicht klüger sind als zu Beginn?«
»Aber was ist, wenn wir den Schuldigen genauso schnell finden, wie wir Kuneke gefunden haben?«
Agnes blieb stehen. »Ach was! Diese beiden Dinge kannst du doch nicht so einfach miteinander vergleichen.«
»Warum nicht? Eigentlich haben wir das die ganze Zeit über schon getan. Wir haben überlegt, ob der Amtmann, der Schmied oder Kalle etwas mit dem Verschwinden zu tun haben.«
»Ja, aber nur um Kuneke zu finden, nicht ihren Mörder.«
»Ist gut. Du gehst zum Bischof und sagst ihm, dass wir die Frau gefunden haben. Ich suche aber weiter nach dem Mörder.«
»Du bist ein elendiger Mistkerl! Du weißt ganz genau, wie ich dastehe, wenn ich jetzt aufgebe, du den Mörder aber findest.«
Ludolf grinste übertrieben breit und nickte nur. Denn er wusste nur zu gut, dass Agnes ihm nie den alleinigen Erfolg gegönnt hätte. Sie war viel zu ehrgeizig, um ihm den Schauplatz jetzt zu überlassen. In manchen Dingen war sie ganz schön berechenbar.
»Na gut. Bis zur nächsten Woche mache ich noch mit. Wenn wir dann nichts haben, ist für mich endgültig Schluss.«
Beherzten Schrittes ging sie weiter in Richtung Marktplatz. Ludolf hatte es schon wieder geschafft, sie zur Weißglut zu bringen. Aber sie konnte auch anders! Sie war nicht so dumm und schüchtern, wie er es gerne hätte. So ein Mädchen könnte er sich als Eheweib holen. Er sollte schon sehen, wer den Fall lösen würde. Ludolf hatte doch einfach nur Glück gehabt, weil er zufällig gerade von dem Bauern angesprochen worden war, der Kuneke gefunden hatte. Das war doch nichts als ein großer, ungerechter Zufall! »Mist!«, zischte sie und stampfte wütend auf.
»Du fluchst? Das ist ja was ganz Neues. Gehört sich das?«
»Das ist alles nur deine Schuld! Andauernd bringst du mich dazu, dass ich die Beherrschung verliere.«
»Mea culpa. Entschuldige bitte. Aber du siehst beinahe süß aus, wenn du dich aufregst.«
Agnes überhörte diesen letzten Satz. »Also. Was sollen wir nach deiner Meinung jetzt machen?«
Plötzlich blieb Ludolf stehen. »Könnte der Bischof der Vater des Kindes sein? Das würde erklären, warum er nach ihr suchen lässt. Damit das nicht herauskommt, zieht er keinen Menschen aus dieser Gegend ins Vertrauen, sondern holt sich von außen Leute. Die kann er später wieder nach Hause schicken, und alles ist in Ordnung. Keiner hat etwas gemerkt.«
»Der Gedanke ist wirklich absurd! Ein Bischof zeugt ein Kind. Das verstößt doch
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