Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)
gegen das Zölibat!«
»Aber er ist doch auch ein Mensch. Warum sollten ihn nicht auch einmal die Gelüste übermannen? Es gibt genug Bischöfe, Kardinäle und andere Priester, die sich nicht um das Zölibat geschert haben. Das muss auch dir bekannt sein.«
»Ist ja schon gut. Das hat es alles schon gegeben. Aber sollte sich so etwas bewahrheiten, müssen wir sehr genau aufpassen. Sonst kommen wir in große Schwierigkeiten.«
In Gedanken griff Agnes in die Tasche und holte das Kreuz und den Rosenkranz hervor. Sie hatte bisher noch nicht die Gelegenheit gehabt, sich die Stücke genauer anzusehen.
Die Kette mit dem Anhänger war aus Silber. In der Mitte des Kreuzes war ein kleiner roter Stein eingefasst, wahrscheinlich ein Granat. Kein billiges Zeug, wie man es an jedem Wallfahrtsort bekam, aber auch nicht besonders wertvoll. Eigentlich nichts Ungewöhnliches für die Frau eines Amtmanns.
Der Rosenkranz war aus dunklem Holz und vom vielen Gleiten durch Hände ganz blank und glänzend. Auffällig war nur eine etwas größere, abgeflachte Kugel mit einem geschnitzten Wappen oder Siegel. Im oberen Bereich war ein Eichenblatt abgebildet, darunter zwei stilisierte Fische. Trotz der winzigen Ausführung waren die Einzelheiten gut zu erkennen. Wer das geschnitzt hatte, war wirklich ein Könner.
»Haben die Wiegands ein Wappen?«, fragte Ludolf.
»Warum nicht? Deine Familie und meine haben doch auch ein Wappen.«
»Ja. Aber unsere Familien stammen von Rittern ab. Die Wiegands auch?«
»Jeder Amtmann braucht ein Siegel, mit dem er die Urkunden und Listen bestätigt.«
»Ja, richtig!«
Etwas ratlos standen sie auf dem Marktplatz und schauten sich um. Der Platz wurde vom Handel geprägt. An der Stirnseite, dort, wo die Straße mit den Fleischerbänken mündete, befand sich das imposante neue Rathaus mit den großen Rundbögen. Zu beiden Seiten des Platzes standen die prächtigen Häuser der Händler. Heute war zwar kein Markttag, aber trotzdem war eine ganze Reihe von Leuten hier unterwegs. Kinder spielten Fangen. Ein paar Tagelöhner und Knechte trugen große Körbe und Ballen hin und her. Dazwischen andere Menschen: Handwerker und Mägde. Edel gekleidete Damen spazierten mit ihren Dienerinnen einher. Vor dem Rathaus standen ein paar besser gekleidete Männer, offensichtlich Ratsherren und Händler, die sicher über die Geschicke der Stadt und über ihren Gegenspieler, den Bischof, sprachen.
»Ludolf, ich habe eine Idee. Du denkst doch, dass der Amtmann und sein Neffe beim Tod von Kunekes Mann gemeinsame Sache gemacht haben. Dann geh du doch zu diesem Kalle und frag ihn aus. Er soll doch hier irgendwo bei einem Bader wohnen. Und ich werde mit dem Tuchhändler Dudenhausen reden. Ich bin sicher, er weiß etwas. Wir werden dann sehen, wer mehr herausbekommt.«
Agnes schaute Ludolf herausfordernd an. Nichts hätte sie mehr von ihrem Entschluss abbringen können. Er hatte Hochachtung vor ihrem Willen und ihrem Mut.
»Wir treffen uns nachher hier wieder.« Damit ging sie zu einer Frau hinüber und fragte nach dem Haus des Händlers Dudenhausen. Nach einem stummen Fingerzeig auf eines der neueren Gebäude am oberen Ende des Marktplatzes wendete sich Agnes dorthin. Festen Schrittes stieg sie die Steinstufen zu der Eingangstür empor. Einen Moment lang blieb sie davor stehen und warf einen prüfenden Blick auf die prächtige Fassade. Aber im nächsten Augenblick war sie schon im Innern verschwunden.
Ludolf wusste nicht, was er Kalle fragen sollte. Es war doch nur ein Gedanke, eine vage Vermutung von ihm gewesen. Diesmal hatte Agnes ihn überrumpelt.
Ludingher Dudenhausen
Das Haus des Tuchhändlers Dudenhausen konnte erst wenige Jahre alt sein und war sehr aufwändig gestaltet. Das untere Geschoss bestand nicht aus mit Stroh und Lehm gefülltem Fachwerk, sondern war mit Naturstein aufgemauert worden. Damit konnte man wirklich vor anderen Händlern und einflussreichen Familien Eindruck schinden. Die Häuser links und rechts waren älter und fielen im Vergleich zu diesem recht klein aus.
Wie sollte Agnes nun vorgehen? Einfach hineingehen und Dudenhausen fragen, was er mit Kuneke gemacht hatte? Dies war natürlich völlig abwegig. Einmal mehr hatte sie unüberlegt gehandelt. Sie wusste, dass sie mit dem Händler reden musste, hatte sich für diese Unterredung aber keinen Plan zurechtgelegt. Dieses Gespräch durfte sie auf keinen Fall durch ihre Unbesonnenheit verderben. Immerhin ging es hier um Mord.
Agnes betrat über die
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