Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Zeit und ist tödlich. Deshalb versprecht, dass Ihr die Listen nicht dem Amtmann übergebt. Ich will nicht, dass er durch den Tod meiner Tochter seine Vorteile hat. Was er auch immer damit vorhatte, er soll es nicht tun können.«
Das versprach Agnes gern. Sie war sehr gespannt, was Ludolf dazu sagen würde. Was hatte es mit diesen Listen auf sich, dass der Amtmann sie um jeden Preis in seinen Besitz bringen wollte?
Die beiden Frauen verabschiedeten sich voneinander. Agnes war froh, als sie das Trauerhaus endlich verlassen konnte.
Die Steuerlisten
Was ist nun so Besonderes an den Listen?«
Agnes und Ludolf hockten nun schon geraume Zeit nebeneinander am Tisch und studierten die Papiere, die Mechthild Fischer Agnes übergeben hatte. Sie waren die einzelnen Blätter schon mehrfach durchgegangen. Hatten sie miteinander verglichen. Jede Liste war betitelt mit Neesen und einer Jahreszahl, angefangen mit Anno Domini 1376 bis 1381. Es waren die Namen verschiedener Höfe oder Familien aufgeführt, jeweils mit der Anzahl der Freien und der Unfreien. Dann folgten Angaben über die Zahlung des Zehnten oder eventuelle Versäumnisse bei diesen Zahlungen. Einige Einträge waren mit
Vogt
gekennzeichnet, andere mit
Dom
. Am Ende der Listen standen schließlich die Summen und die Namen und Siegel von Heinrich Wiegand und dem Herrn Wedekind vom Berge. Nur auf der letzten Liste aus dem Jahre 1381 fehlten die Beglaubigungen. Das lag wahrscheinlich daran, dass der Amtmann in diesem Jahr umgekommen war. Er hatte seine Akten also nicht vervollständigen können.
»Bei keiner Aufstellung finde ich eine Summe für
Dom
«, stellte Agnes fest. »Was ist denn wohl mit
Dom
gemeint? Ob das für Minden steht?«
»Ich vermute eher, dass das ein Kürzel für Domkapitel ist. Vielleicht ist auch der Bischof selbst gemeint. Die Einnahmen wurden aufgeteilt zwischen der Burg hier und dem Domkapitel in Minden. Bleibt ja schließlich in der Familie.«
»Aber wenn die Listen nur vom Herrn Wedekind abgesegnet wurden, müsste es ja noch die entsprechenden für den Bischof geben mit seinem Namen und seinem Siegel.«
»Stimmt. Hat Josef Resenbach die schon? Oder ist er nur hinter diesen her?«
»Ist eigentlich die Summe der Abgaben korrekt? Ludolf, du solltest das mal nachrechnen. Du bist doch so in Zahlen vernarrt.« Agnes lächelte ihn an. Sie hätte es auch ausrechnen können. Aber der Tag war zu anstrengend gewesen, sie war einfach müde. Die Glieder wurden matter und schwerer, sie konnte sich kaum noch konzentrieren. Die Zahlen und Namen schwirrten nur noch so über das Papier.
»Ich habe schon nachgerechnet. Stimmt alles. Ist vom Zehnten etwas zurückgehalten worden? Wenn Wiegand etwas beiseitegeschafft hat, fällt das nicht auf. Er hat die Listen bestätigt, und der Wedekind wird ihm sicher alles geglaubt haben. Der rennt bestimmt nicht los und überprüft noch einmal alles, bevor er abzeichnet.«
»Sei mir bitte nicht böse, Ludolf. Aber ich kann nicht mehr. Ich glaube, ich muss ins Bett.«
»Das glaube ich auch.«
Plötzlich klopfte es an der Tür. Die beiden schauten sich an. Wer konnte das um diese Zeit noch sein? Draußen war es schon beinahe dunkel. Agnes sprang auf und lief zum Fenster. Ihre Müdigkeit war mit einem Schlag verflogen. Sie konnte zwar nicht sehen, wer vor der Tür stand, aber auf dem Weg vor der Hütte befand sich eine Gruppe von bewaffneten Reitern.
Ludolf war inzwischen an der Tür und öffnete dem unerwarteten Besuch. Es konnte nichts Gutes verheißen, wenn so spät noch jemand mit ihnen sprechen wollte. Ein mürrisch blickender Soldat stand vor dem Eingang. Rostiger und verbeulter Helm, ungepflegter Bart, verschmutztes Wams und ausgeblichene, löchrige Hosen. Ohne einen Gruß zu entbieten, kam er sofort zur Sache. »Seid Ihr Jost und Luke Scheffer?«
Ludolf bejahte die Frage.
»Der Bischof will Euch morg’n zur vierten Stunde 27 in Minden sehen.«
»Hat er Euch auch den Grund genannt?«
»Das fragt ihn gefälligst selbst. Aber es wird mit’em Mörder zu tun ham. Wir bring’n den Halunken jetzt nach Minden.«
Damit machte er kehrt und ging wieder zu seinem Pferd. Erst jetzt erkannte Ludolf den Schmied, der mit auf dem Rücken gefesselten Händen auf einem der Tiere saß. Er bot einen bedauernswerten Anblick, das Gesicht entstellt von Schlägen, die Mundwinkel blutverkrustet. Dann machte sich der kleine Trupp auf den Weg nach Minden.
Ludolf schloss langsam die Tür. Dass dies das Ende ihrer Mission sein
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