Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)
gehört habe, ist er dort öfter am Sonntag.«
Anno von Dankersen wiegte bedächtig sein Haupt. Marie konnte gar nicht mehr aufhören zu weinen. Sie machte sich die größten Vorwürfe, ihren geliebten Dietrich so schmählich verraten zu haben. »Nur weil es so dunkel war, dass ich nichts mehr gesehen habe ... und ich war doch so wütend auf ihn ... und da habe ich halt gedacht, er wäre es gewesen ... Wie konnte ich ihm das bloß zutrauen? Jetzt wird er wegen mir hingerichtet. Ich bin an allem schuld!«
Der kleine Pater gab sich Mühe, die verzweifelte Marie zu beruhigen. »Noch ist nicht alles verloren. Wenn du dem Richter das genauso erzählst, wie du es uns gerade geschildert hast, dann kann keiner den Dietrich verurteilen. Außerdem hat Resenbach dich mit Drohungen und Schlägen zu der Aussage gezwungen, sie kann also gar nichts wert sein. Dein Schmied wird ganz bestimmt gerettet werden.«
Nur mit Mühe ließ sich Marie beruhigen. Es war aber mehr die Erschöpfung, die ihr Weinen und Klagen verstummen ließ, als das gute Zureden des Priesters. Sie war am Ende ihrer Kräfte.
Anno führte sie zu ihrem Bett. »Schlaf dich ruhig aus. Morgen sieht alles schon wieder viel besser aus. Wir sorgen dafür, dass die Sache beim Herrn und beim Bischof geklärt wird. Dann seid ihr, du, meine Tochter, und der Schmied wieder frei. Mit dem Amtmann werde ich ein paar ordentliche Worte sprechen. Es gehört sich nicht, Unschuldige so unter Druck zu setzen.«
Anno strich der Magd ein letztes Mal über das Haar und winkte dann Ludolf zu. Nach dem Klopfen an der Tür öffnete der Wachsoldat. Schweigend marschierten die drei wieder zum Tor.
Gedankenverloren ging Anno von der Zugbrücke nach rechts die wenigen Schritte bis zur Mühle. Am Rand des Burggrabens, gleich beim Wasserrad, blieb er stehen und betrachtete das strömende Wasser. Es war nicht viel, besonders nicht jetzt während des Sommers. Als Teil der Befestigung der Burg hatte dieser Graben zwar seine Bedeutung, hingegen stellte das wenige Wasser darin kaum ein unüberwindliches Hindernis dar. Es reichte jedoch allemal zum Getreidemahlen. Er wandte sich an Ludolf. »Ich gehe morgen früh zum Herrn Wedekind. Würdet Ihr mit dem Bischof in Minden sprechen?«
»Das werden wir ganz bestimmt.«
Bei Kunekes Mutter
Agnes stand nun schon einige Augenblicke vor der Tür. Zweimal hatte sie die Hand gehoben, um anzuklopfen. Jedes Mal verließ sie der Mut. Einer Mutter zu sagen, dass die Tochter verstorben war, war schon nicht einfach. Aber so etwas einer Mutter zu sagen, die ihrem Kind hatte Gewalt antun wollen, es wie ein Stück Vieh hatte verkaufen wollen! Agnes wollte es so kurz wie möglich machen. Nur vom Besuch im Hospital berichten, den Schmuck abgeben und wieder verschwinden. Kein Wort über den Tuchhändler und den ruchlosen Plan. Alles andere sollte Gott machen.
Plötzlich öffnete sich die Tür von ganz allein. Kunekes Mutter und Agnes schauten sich erstaunt an. Mechthild sah sehr mitgenommen aus. Ihr Gesicht war geschwollen und die Augen rot unterlaufen. Genauso wie der Rest der Bewohner hier musste sie mitbekommen haben, wie der Schmied als Mörder ihrer Tochter verhaftet worden war. Spätestens dann hätte ihr klar sein müssen, dass sie Kuneke nie wieder sehen würde. »Wolltet Ihr zu mir?«, fragte die Ältere, »ich habe gar nicht Euer Klopfen gehört.«
»Ich hatte noch nicht geklopft. Ihr wart einen Augenblick schneller. Ich müsste dringend mit Euch sprechen.«
Mechthild Fischer bat die Besucherin herein. Aber keine der Frauen traute sich, das erste Wort zu sagen. Schließlich begann die ältere: »Was könnt Ihr mir denn noch sagen, außer dem, was ich nicht schon längst weiß? Der eigene Schwager hat meine Kleine erschlagen. Und warum? Aus Wut, weil er sie nicht bekommen konnte. Er soll für diese abscheuliche Tat büßen. Leiden wie noch niemand zuvor.«
Du elende Schlange, musste Agnes denken. Was für eine Heuchelei! Verschacherst die eigene Tochter! Aber schreist nach Vergeltung, wenn andere ebenso schlecht handeln. Mechthild wollte nicht Rache für den Tod ihrer Tochter, sondern Rache, weil das erhoffte Leben als einflussreiche und angesehene Schwiegermutter eines reichen Tuchhändlers nun nicht mehr möglich war. Agnes hätte ihr das am liebsten ins Gesicht geschrien. Aber sie musste sich zurückhalten. Diese Tat würde zu einer anderen Zeit gesühnt. Jetzt ging es nur darum, dass Kuneke gefunden und begraben worden war.
»Ob es der Schmied
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