Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Zusammenhang zwischen den Steuerlisten und dem Tod Kunekes gibt.«
»Du meinst wirklich, der Amtmann Josef Resenbach hat Kuneke wegen der Listen getötet?«
»Ganz genau.«
»Dafür gibt es keinen Beweis. Wir haben keine Unregelmäßigkeit gefunden.«
»Stimmt. Wir haben aber genauso wenig Beweise dafür, dass Dietrich aus Eifersucht gemordet hat.«
Agnes explodierte: »Ha! Da gibt es aber einen Augenzeugen! Der Mord wurde beobachtet!«
Auch Ludolf wurde lauter: »Ich hab’s dir doch erzählt! Marie ist sich nicht sicher. Es hätte jeder beliebige Mann sein können.«
»Ja, ich hab’s gehört. Ich bin doch nicht taub. Du willst immer mit deinem Kopf durch die Wand! Du denkst andauernd, nur deine Meinung sei die richtige.«
»Ach! Du bist doch nur sauer, weil es nicht deine Meinung ist.«
»Das spielt überhaupt keine Rolle! Du nimmst keinerlei Rücksicht auf andere. Auch nicht auf mich. Aber redest von Liebe, wenn es dir in den Kram passt. Du bist ein Heuchler! Ein Egoist!« Damit drehte sie sich um und verschwand in der kleinen Kammer. Sie knallte die Tür zu und warf sich bäuchlings aufs Bett, dass es gefährlich knirschte. Sie ließ ihren Tränen freien Lauf und weinte in die Decke, in die sie ihr Gesicht vergraben hatte. Am liebsten hätte sie Ludolf den Hals umgedreht. Warum schaffte er es immer wieder, dass sie in die Luft ging? Bei keinem anderen war das so. Das Dumme war nur, dass Ludolf eigentlich recht hatte. Auch sie wollte natürlich nicht, dass ein Unschuldiger seinen Hals hinhalten sollte. Und die Beweise waren wirklich sehr dünn.
Sie drehte sich herum und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Erst jetzt bemerkte sie die Schritte nebenan in der Stube. Ludolf lief hin und her. Ob die Geschichte an ihm nagte? Sollte er ruhig leiden. Das hatte er verdient.
Plötzlich klopfte es an der Kammertür. Agnes hielt den Atem an. Einen Augenblick später klopfte es wieder. »Agnes, ich möchte mit dir reden. Bitte«, klang es leise.
Schnell stand sie auf, damit sie besser hören konnte, aber öffnete nicht. »Was w... i...« Ihr versagte vor Aufregung die Stimme. »Was willst du?«
»Machst du bitte die Tür auf? Ich spreche nicht so gern durch eine geschlossene Tür.«
Agnes wischte sich schnell das Gesicht trocken. Ihre Augen mussten rot sein. Egal. Dass sie weinte, hatte er sicher längst mitbekommen. Sie öffnete vorsichtig die Tür.
Ludolf war sichtlich verlegen. »Entschuldige, dass ich so laut geworden bin. Ich wollte dir nicht wehtun.«
Agnes schaute ihn mit ihren großen Augen an. Kleine Tränen hingen noch in den Augenwinkeln, als könnte sie jeden Augenblick wieder anfangen, zu weinen. »Mir tut’s auch leid. Ich weiß nicht mehr, was ich rede. Ich will auch nicht, dass ein Unschuldiger hingerichtet wird.«
»Ich habe einen Vorschlag. Wir müssen morgen sowieso zum Bischof. Wir erklären ihm die Unklarheiten und bitten ihn um einen Tag mehr. Vielleicht kann er uns etwas zu den Listen sagen. Wenn er ablehnt oder wir an dem zusätzlichen Tag nichts mehr finden, ist die Sache beendet. Dann ist alles in der Hand des Bischofs. Wie wär’s?«
Sie nickte nur. Plötzlich zwängte sie sich durch die Tür, stellte sich auf die Fußspitzen und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Alles vergeben. Vorschlag ist angenommen«, hauchte sie ihm ins Ohr. »Schlaf gut, du Flegel.« Und schon war sie wieder in ihrer Kammer verschwunden und hatte die Tür geschlossen.
Ludolf war sprachlos. Die ganze Zeit hatte er gegrübelt, was er sagen sollte. Wie er sich am besten entschuldigen könnte. Er hatte sich geärgert, dass er es wieder zum Streit hatte kommen lassen. In Gedanken hatte er ihre möglichen Reaktionen auf seine Entschuldigung durchgespielt, aber mit einem Kuss hätte er nie und nimmer gerechnet. Jetzt würde er gut schlafen können. »Gute Nacht, Agnes.«
Während Ludolf zufrieden zu Bett ging, stand Agnes hinter der Tür. Sie war auf seine Reaktion auf ihren Kuss gespannt gewesen. Würde er noch einmal anklopfen? Noch etwas sagen wollen? Sie fand mit der Zeit Gefallen an Ludolfs Bemühen, ihre Liebe zu gewinnen. Was sollte sie bloß davon halten? Ihm musste doch klar sein, dass sie niemals zusammenkommen konnten.
Ein Selbstmord
Was war das gewesen? Irgendetwas hatte Agnes geweckt. Sie wusste nicht, wie lange sie schon geschlafen hatte, aber weit nach Mitternacht konnte es noch nicht sein. Sie hatte wohl schlecht geträumt – Schreie und Rufe hatten sich in ihren Traum gedrängt.
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