Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)
sollte, wollte ihm nicht gefallen. Es gab noch zu viele Ungereimtheiten, Vermutungen, zu viele offene Fragen. Er glaubte nicht, dass der Schmied wirklich der Mörder war. Der Bischof schien den Anschuldigungen des Josef Resenbach zu glauben. Eine schlechte Quelle für gerechte und gute Entscheidungen.
Agnes hingegen seufzte erleichtert: »Endlich nach Hause.« Das war die beste Nachricht, die sie hätte bekommen können. Auch wenn sie sich mit Ludolf ausgesöhnt haben mochte, sehnte sie sich nach dem Kloster, der Geborgenheit und dem Frieden dort. Endlich nachts wieder gut schlafen und tagsüber mit den Kindern arbeiten.
Ludolf riss sie aus ihren Träumen. »Wieso nach Hause? Wir sind noch nicht fertig.«
»Aber wenn der Bischof den Auftrag beendet, können wir nichts dagegen tun. Dann können wir wirklich wieder nach Hause«, gähnte Agnes.
Ludolf hob abwehrend die Hände. Auch er wollte wieder nach Hause, aber nicht unter diesen Umständen. »Das ist mir zu unbefriedigend. Noch viel zu viel ist unklar. Wen hat Marie wirklich gesehen? Was hat der Amtmann vor? Was ist mit den Listen? Wenn noch Zweifel bestehen, darf der Schmied nicht verurteilt werden. Er ist wahrscheinlich zu Unrecht verhaftet worden, und der richtige Mörder läuft noch frei herum.«
Agnes verdrehte die Augen. Dieser neunmalkluge Kerl! Als hätte er die Weisheit für sich gepachtet! Er konnte einfach nicht zugeben, dass er unrecht hatte! Alles zog er in Zweifel. »Falls der Schmied hingerichtet wird und er ist nicht der Mörder, ist das für Gott kein Problem. Er kennt die Wahrheit und wird ihn nicht verurteilen. Der Schmied wird dann nicht in der Hölle enden.«
»Und was ist mit uns? Wir machen uns schuldig!«
»Gott weiß, dass wir nicht alles wissen können, da wir unvollkommen und fehlbar sind.«
Diese Einstellung der Kirche hatte schon viele unschuldige Leben gekostet. Seitdem Papst Innozenz IV. die Folter zur Wahrheitsfindung genehmigt hatte 28 , hatten viele Gepeinigte lieber ein Geständnis abgelegt als weitere Schmerzen ertragen zu müssen. Nach Augustinus war es ein Akt christlicher Nächstenliebe, einem Abtrünnigen unter Zwang den rechten Weg zu zeigen, wenn er diesen nicht gehen wollte. Er verglich diese Abtrünnigen mit verirrten Schafen, die die kirchlichen Hirten notfalls mit Stock und Knüppel zur Herde zurückführten. Er befürwortete die Folter mit der Begründung, dass dadurch nur das sündige Fleisch, nicht aber die Seele geschädigt wurde.
Ludolf schüttelte sich. Wenn er solche Ungerechtigkeit hier verhindern konnte, dann wollte er es mit aller Kraft tun. »Erinnere dich an das Gesetz, das dem Volk Israel gegeben wurde. Nur auf das Wort von zwei Zeugen durfte jemand verurteilt werden. Wir haben hier nur einen. Noch dazu einen, der sich nicht sicher ist. In vorchristlicher Zeit wäre mit so einer Anklage keiner durchgekommen.«
»Der Schöpfer wird uns verzeihen.«
»Sicher? Ich denke eher, er wird uns zur Rechenschaft ziehen, wenn wir nichts gegen die Falschanklage unternehmen.«
»Woher willst du das wissen? Seit wann kümmerst du dich um das, was in der Bibel steht?«
»Brief des Jakobus:
Wenn daher jemand weiß, wie er das tun soll, was recht ist, und es doch nicht tut, so ist es ihm Sünde
. Oder erinnerst du dich an den Sklaven, den der Herr Jesus in dem Gleichnis von den Minen erwähnte? Der Sklave, der die eine Mine erhielt und sie in einem Tuch aufbewahrte, hatte sich einer Unterlassungssünde schuldig gemacht. Er wurde nicht deshalb böse genannt, weil er etwas Schlechtes getan hatte, sondern weil er es versäumt hatte, zur Vergrößerung des Reichtums seines Herrn beizutragen«.
Agnes war wütend. Dieser Besserwisser wollte ihr etwas von der Heiligen Schrift erklären! Er, der nur die Natur und ihre Wissenschaften im Kopf hatte, sollte einer gebildeten Nonne etwas beibringen wollen? Nur ... leider hatte er recht! Es war leider in der Tat so, dass die Kirchenlehrer ab und zu genau das Gegenteil von dem, was in der Bibel stand, geschrieben hatten. An was sollte man sich da halten? Was hatte mehr Gewicht? Aber das hatte ihr noch niemand wirklich schlüssig erklären können. Jetzt darüber weiter nachzudenken, würde nur Zweifel in ihr hervorrufen. Und das wollte sie auf keinen Fall.
»Na gut. Ich will mich mit dir nicht über Bibelzitate streiten. Das habe ich nicht nötig. Was sollen wir deiner Meinung nach machen?«
»Wir sollten weitere Nachforschungen anstellen. Ob es zum Beispiel einen
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