Die Herren von Buchhorn
Lächeln.
Ihre blassen, ausgezehrten Züge kamen ihm in diesem Augenblick vor wie die einer Heiligen. »Es wird keine Gerechtigkeit für sie geben, nicht wahr?«, fragte er mehr traurig als bitter.
»Du musst Vertrauen haben.«
»In Gott?«
»Ja. Und auch in den Junker. Er wird auch die anderen Täter finden. Er ist ein guter, tapferer Mann.« Sie wandte sich dem Kreuz zu und blickte empor, selber zu einem Heiligenbild erstarrt.
Etwas würgte Gerald in der Kehle. »Würdet Ihr ihm wirklich Eure Kinder überlassen?«
Wendelgard schreckte auf. »Wie?«
»Er will Eure Kinder adoptieren.«
»Wer sagt das?«
»Ich hab es eben gehört. Im Hof.«
»Geschwätz von Knechten!« Aus der Heiligen war mit einem Schlag eine junge Frau mit geröteten Wangen und verkniffenem Mund geworden. »Ludowig würde nie versuchen, mir meine Kinder wegzunehmen. Nie! Er verwaltet die Grafschaft für meine Söhne. Ich will diese Verleumdungen nicht hören!«
»Aber …«
»Nein!« Sie stampfte mit dem Fuß auf. »Ich will davon nichts hören!«
»Auch wenn es die Wahrheit ist?«, erkundigte er sich.
Wendelgard wandte sich wütend ab. Ihr Hemd leuchtete wie ein letzter Streif von Helligkeit im Dunkel der Kapelle. »Ludowig ist ein Edelmann.«
»Und ich nur ein einfacher Schmied!«, murmelte Gerald verbissen. Er verneigte sich tief. »Dann verzeiht, dass ich Eure Andacht gestört habe. Ich werde einen anderen Ort zum Beten finden.«
Warum er im ›Grünen Felchen‹ gelandet war, wusste Gerald selber nicht zu sagen. Vielleicht waren es die Gedanken an seine Eltern, die ihn unbarmherzig verfolgten und zu dem Ort führten, an dem er seinen Vater zum letzten Mal lebend gesehen hatte. Vielleicht war es auch nur die dumpfe Wut, die einfach nicht verrauchen wollte.
»Verdammte Weiber!«, fluchte er. »Egal ob Gräfin oder Inkluse! Und verdammte Buchhorns! Verdammt, verdammt, verdammt!«
Er stieß die Tür auf, drängte sich in die stickige Gaststube und ließ sich auf einen freien Stuhl fallen.
»Ein Bier!«, brüllte er und ließ den Kopf in die Hände sinken.
Schnelle Schritte näherten sich. »Euer Bier, junger Herr.«
Gerald hob den Kopf und zuckte zurück, als er das Gesicht des Mädchens erkannte, das den Krug vor ihn hingestellt hatte.
Auch in ihren Augen blitzte es auf. »Oh, Ihr seid das.«
Er fuhr sich mit gespreizten Fingern durch die Haare. »Ja, ich. Und du hast meine Mutter gerufen, als ich … als mein Vater …« Er griff nach seinem Krug und rettete sich in einen tiefen Schluck.
Fridrun berührte sanft seine Schulter. »Das mit deinen Eltern tut mir leid. Ich hab am Morgen noch mit ihnen gesprochen. Ich hätte nie gedacht, dass dieser Bauer sie umbringen würde. Ich dachte, er wär’ nur so ein Großmaul, das sich gerne prügelt.«
»Ich weiß. Sag mal, war er eigentlich allein an dem Abend?«
»Nein, ich glaube nicht. Jedenfalls war er nicht allein am Tisch.«
»Ist der andere heute hier?«
Sie schüttelte den Kopf. »Aber wenn er kommt, sag ich dir Bescheid. Falls ich ihn erkenne.«
»Danke.«
Sie sahen sich schweigend an. Endlich murmelte Fridrun: »Ich muss wieder …«
»Halt!« Er lächelte verlegen, als er ihr fragendes Gesicht sah. »Ich hab noch eine Frage. Weißt du, was meine Eltern hier wollten?«
»Sie wollten einen Mann besuchen.«
»Was für einen Mann?« Geralds Stimme war lauter geworden. »Weißt du seinen Namen? Woher kam er?«
Fridrun legte den Finger an die Lippen und sah sich um. »Er kam aus Buchhorn, wie deine Eltern. Sein Name war Adalbert. Was ist, kennst du ihn?«
»Ich weiß nicht«, sagte Gerald langsam. »Red weiter.«
»Er war schwer verletzt, als er kam, und ich hab mich ein bisschen um ihn gekümmert.«
»Gekümmert?«
»Wir haben geredet«, sagte sie mit einem winzigen Lächeln. »Er hat mir von Buchhorn erzählt. Stimmt es, dass eine Schankmagd dort bessere Arbeit finden kann als hier?«
»Die ›Buche‹ ist ein gutes Gasthaus«, sagte Gerald abgelenkt. »Was hat er noch gesagt?«
»Fridrun!« Die Stimme des Wirts bellte durch den Raum.
»Ich bring Euch noch ein Bier«, wisperte das Mädchen und eilte davon. Wenig später kam sie mit einem vollen Krug zurück. »In seinen klaren Momenten hat er aus seiner Vergangenheit erzählt, er war wohl im Ungarnfeldzug und dann in Gefangenschaft.« Sie kicherte in der Erinnerung. »Er wollt’ mir sogar seine Narben zeigen, aber die wollt’ ich doch nicht sehen. Dafür hat er mir eine Spange gezeigt.« Sie schaute
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