Die Herren von Buchhorn
nicht hin.«
»Dann muss ich dich einsperren. Wiborada …«
»Ist nicht hier. Aber du hast recht, ich werde beten.«
»Dann bete auch, dass Abt Salomo alles zu seiner Zufriedenheit vorfindet.«
»Das ist mir nur recht.«
»Oh, nein, er kommt nicht, um dich mit deinen Kindern zusammenzubringen. Er will sicherstellen, dass du bis zum Gedenktag deines Mannes deine Rolle als Klausnerin ausfüllst.«
»Dann haben wir eine Woche, um alles zu klären, nicht wahr Agnes?« Wendelgard lächelte kühl und öffnete die Tür ihrer Kemenate. »Gute Nacht. Gott mit dir!«
»Wirt, ein Bier!« Gerald setzte sich in eine Ecke und starrte auf den sauber gewischten Tisch. Zwei Tage lag die Beerdigung zurück. Zwei Tage lang hatte er alle Hände voll zu tun gehabt, den spärlichen Nachlass seiner Eltern zu regeln. Die Schmiede war voll gewesen mit Leuten, die ihm sagen wollten, wie sehr sie seine Eltern vermissten und was für gute Leute sie gewesen waren. Und wieder und wieder hatte er die Frage gehört: »Bleibst du jetzt hier?«
Er hatte keine Antwort gewusst. »Ich muss ihren Tod aufklären. Ich muss die offenen Fragen klären, erst dann werde ich Ruhe finden. Das bin ich ihnen schuldig«, flüsterte er.
»Vielleicht bist du es ihnen auch schuldig, heimzukehren«, antwortete eine Stimme in seinem Kopf. »Vielleicht musst du einfach aufhören, wegzulaufen.«
»Euer Bier, Herr.«
Gerald fuhr so heftig in die Höhe, dass er beinahe den Krug umgestoßen hätte, der jetzt vor seiner Nase stand. »Du?« Er begann zu strahlen. »Fridrun, nicht wahr? Wie kommst du denn hierher?«
Auch das Mädchen lächelte, und die Grübchen in ihren Wangen zitterten. »Ihr habt mir doch selber von dem Gasthof hier erzählt. Ich hab es im ›Felchen‹ nicht mehr ausgehalten, also habe ich mich auf den Weg gemacht. Und Hannes …«, sie nickte in Richtung des Wirtes, der den Kopf hob, als er seinen Namen hörte, »… hat gesagt, dass er es mit mir versuchen will.«
»Das ist schön!«
»Ja. Ich bin froh, dass Ihr heute hier seid. Ich wollte mich schon die ganze Zeit bei Euch bedanken, aber ich wusste nicht …« Sie brach errötend ab. »Es waren so viele Menschen bei Euch.«
»Wegen meiner Eltern.« Ein Schatten fiel über Geralds Gesicht, dann grinste er plötzlich. »Der Wirt im ›Felchen‹ war ganz schön wütend, dass du einfach auf und davon bist. Mein Ratschlag hätte mich beinahe einen Zahn gekostet.« Fridrun starrte ihn erschrocken an, und Gerald lachte. »Ganz so schlimm war es nicht, und ich bin wirklich froh, dass du hier bist. Wirst du bleiben?«
»Ich denke schon.« Fridrun warf dem Wirt einen raschen Blick zu, aber Hannes machte nicht den Eindruck, als ob er ihr das Gespräch mit einem Gast übel nähme. Sein tiefes Lachen dröhnte durch die niedrige Schankstube.
Fridrun lächelte. »Es ist eine gute Arbeit. Auch wenn irgendwie doch alle Schänken gleich sind.«
»Warum machst du diese Arbeit?«, fragte Gerald.
»Weil ich essen und ein Dach über dem Kopf haben will. Meine Eltern sind tot, und die Männer stehen nicht gerade Schlange, ein mittelloses Mädchen zu heiraten.« Sie lächelte, ein wenig selbstironisch diesmal. »Und für das, was sie wollen, bin ich nicht zu haben.«
Gerald wurde rot.
»Fridrun!«
Sie seufzte. »Ich sag doch, irgendwo sind alle Schänken gleich. Und alle Wirte auch. Trinkt aus, dann bring ich Euch ein neues Bier.«
Ohne darüber nachzudenken, setzte Gerald den Krug an die Lippen. Sein Blick folgte Fridrun beinahe ohne sein Zutun. Er fragte sich, ob ihr Erscheinen ein Zeichen des Himmels war, das ihm helfen konnte, die brennenden Fragen zu beantworten.
Als sie wieder vor ihm stand, packte er ihr Handgelenk und zog sie auf einen Stuhl. »Keine Sorge, Hannes kümmert sich allein um die ›Buche‹, solange ich denken kann. Er wird dich ein paar Minuten entbehren können.«
»Wie Ihr meint.«
Gerald sah flüchtig auf, als der Stuhl am Nachbartisch scharrend über den Boden gezogen wurde. Ein Mönch mit einer Kapuze über den Augen setzte sich mit den langsamen Bewegungen eines alten Mannes.
»Was wollt Ihr wissen?« Sie musterte ihn aufmerksam. »Es geht immer noch um Adalbert, nicht wahr?«
Gerald nickte. »Ich habe gehört, er ist in Bregenz v on Räubern angegriffen worden. Hat er dir etwas darüber erzählt?«
»Nicht in Bregenz, sondern auf dem Weg«, verbesserte das Mädchen. »Er hat mir erzählt, dass er verfolgt worden ist. Ich hab nie ganz genau gewusst, ob er sich nur
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