Die Herren von Buchhorn
wichtig machen wollte, aber die Wunde hat er mit Sicherheit gehabt. Er ist ja auch daran gestorben.« Sie schlug das Zeichen des Kreuzes, während sie fortfuhr: »Er hat gesagt, dass er eine ganze Horde Männer getötet hat, aber wahrscheinlich waren es eher zwei oder drei.«
»Und die Leichen?«
Sie zuckte die Achseln. »Ich hab nicht gehört, dass sie jemals aufgetaucht sind.«
»Hat er dir irgendetwas über diese Männer erzählt? Waren es Räuber?«
Sie schüttelte langsam den Kopf. »Ich glaub nicht. Adalbert hat auf mich den Eindruck gemacht, dass er mit einer Waffe umgehen kann. Zwei einfache Straßenräuber hätten ihn nicht so schwer verwunden können. Auch nicht drei oder vier. Er war ja zu Pferd.«
»Also müssen sie ihn ganz gezielt angegriffen haben. Aber warum?«
»Das hab ich ihn auch gefragt. Da hat er nur gelacht und gesagt, das, was sie suchen, würden sie nie finden. Später, als er dann im Fieber lag, hat er immer wieder etwas von einer Botschaft gemurmelt. Aber damit meinte er vielleicht Hilbert.«
»Kennst du den?«
Sie fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Er ist ein Luftikus, der nicht gern arbeitet. Also verdingt er sich für Botengänge. Er kann sich alles merken. Aber was er verdient, das vertrinkt und verspielt er. Meistens im ›Felchen‹, weil er den Wirt gut kennt.« Sie verzog das Gesicht.
»Hat er ein Pferd?«
»Hilbert? Gewiss nicht. Aber vielleicht hat er Adalberts genommen.«
»Hat er von der Spange gewusst?«
»Das glaube ich nicht. Nicht so geheimnisvoll, wie Adalbert damit getan hat. Aber wozu wollt Ihr das alles wissen?«
Geralds Mund wurde hart. »Weil meine Eltern ermordet wurden.«
»Ich weiß, und es tut mir unendlich leid.« Ihre Hand stahl sich auf seine. »Aber die Mörder sind doch gefasst!«
»Zwei tote Bauern, so ein Unsinn. Ich muss mehr herausfinden, über die Spange und über diesen Hilbert!« Er trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. »Wo würde jemand versuchen, Diebsgut loszuschlagen?«
Sie schnitt eine Grimasse. »Im ›Felchen‹!«
»Wie bitte?«
»Aber Herr, Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass der Wirt nur Wein verkauft!«
»Der Schurke!« Beinahe hätte Gerald aufgelacht. »Wenn das wahr ist, muss man seine Dreistigkeit fast bewundern.« Er griff nach ihrer Hand und drückte sie. »Ich muss zurück nach Bregenz. Ich muss Nachforschungen anstellen.«
»Oh! Kommt Ihr … kommt Ihr zurück?« Fridruns Stimme war leise geworden.
»Natürlich.« Er lächelte sie an. »Und du? Bleibst du?«
»Fridrun!«
»Ich komme!«
Das Mädchen sprang auf. Er hörte noch ihr leises »Bis bald«, dann wandte sie sich anderen Gästen zu.
Mit einem seltsam leichten Gefühl im Kopf legte der junge Mann die Zeche auf den Tisch, winkte Hannes zu und verließ die ›Buche‹.
Die kühle Abendluft strich über sein heißes Gesicht, als ihn plötzlich eine Hand packte. Automatisch riss Gerald den Arm hoch, doch sein Gegner wich mühelos aus. »Immer mit der Ruhe, Freund. Du wirst erwartet.«
»Wer seid Ihr? Wer erwartet mich?«
Die Gestalt löste sich aus dem Schatten. Mit Erstaunen sah Gerald die Mönchskutte. Er dachte an seinen Tischnachbarn, der sich bewegt hatte wie ein alter Mann. »Wer seid Ihr?«, wiederholte er.
»Mein Herr erwartet dich. Komm mit.«
Trotzig schüttelte Gerald den Kopf. »Nicht, ehe ich nicht Antworten erhalte.«
»Sieh nach unten«, flüsterte der Mönch. Gerald gehorchte und zuckte zusammen, als er den Dolch sah. »Du wirst Antworten erhalten. Aber jetzt komm.«
Geralds Gedanken überschlugen sich, während er an der Seite des Fremden durch die Dunkelheit schritt. Ohne sie zu sehen, wusste er, dass die Spitze des Dolches weiterhin auf seine Rippen zielte. Vergeblich fragte er sich, wer unter der Kutte stecken mochte.
»Wenn ich ihm nur die Kapuze herunterreißen könnte«, dachte er. »Ist es noch weit?«, fragte er laut, als sie den Marktplatz überquerten.
»Wir sind schon da. Öffne die Tür!«
»Aber das ist die Kirche!«, entfuhr es Gerald.
»Gibt es einen besseren Ort? Mach die Tür auf!«
Zögernd gehorchte der junge Mann. Kalte, nach Kerzenwachs riechende Luft schlug ihm entgegen. Kleine Flämmchen tanzten wie Irrlichter über dem Altar.
»Geh weiter«, raunte der Mönch.
Die Schritte der beiden Männer hallten überlaut durch die Stille. Eine einsame Gestalt verlor sich fast in der Dunkelheit. Teure Stoffe raschelten, als der Mann sich zu ihnen umdrehte. Gerald versuchte vergeblich, sein
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