Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
Vom Netzwerk:
stieg ein modriger Geruch auf. Uta drückte die Tür einen Spalt weit auf und konnte direkt zum Altar schauen, vor dem der Burggeistliche mit einem Büchlein in den Händen stand. Vor diesem, mit dem Rücken zur Tür, sah sie den Vater, daneben Esiko, dann Hazecha und schließlich Gertrud knien. Uta unterdrückte den Impuls, zu ihrer Familie zu eilen.
    Der Geistliche verlas den Satz: »Der Zorn des Weltenrichters bringt seine Angeklagten, die da vor ihm stehen, zum Zittern.«
    Hazechas Wimmern durchbrach die liturgische Eintönigkeit erneut. In Gedanken streichelte Uta der Schwester über die Wangen. Dann sah sie zwischen Vater und Bruder plötzlich eine Kiste auf dem Boden stehen. Eine unsichtbare Hand drückte ihr die Kehle zu, schnell wandte sie den Blick ab.
    »Jeder Mensch muss Rechenschaft vor Gott ablegen. Alles Verborgene sieht der Allmächtige. Nichts wird ungerächt bleiben. Aus Angst vor dem Jüngsten Gericht erstarrt sogar der Tod«, vernahm sie die Worte des Burggeistlichen und löste sich vom Türspalt. »Ich muss zu ihr hinauf.« Das Herz schlug ihr heftig in der Brust, und sie rannte los.
    »Wartet!« Diese Aufforderung wurde von einer Hand begleitet, die sich auf Utas Schultern legte und sie daran hinderte, die ersten Stufen der Außentreppe zu erklimmen. Uta hielt die Luft an.
    »Wollt Ihr vielleicht mit uns beten?«
    Nun erkannte sie die Stimme und wagte auszuatmen. Es war Linhart, der sie mit Erna nach Gernrode ins Kloster geschafft hatte. Langsam drehte sie sich zu ihm um.
    »Fräulein Uta?«, rief der Stallbursche verwundert aus, nachdem er unter ihre Kapuze gespäht hatte.
    Uta presste den Zeigefinger auf die Lippen und zog den Stallburschen einige Schritte mit sich in die schützende Eingangsnische des Brothauses neben dem Wohnturm. »Niemand darf wissen, dass ich hier bin.«
    Linhart nickte und starrte auf das Gesicht vor sich, das trotz der dunklen Augenringe nichts von seinem zarten Zauber eingebüßt hatte.
    »Warum ist es so still hier?«, fragte sie.
    Linhart schaute zu Boden. »Er hat uns verboten, ihrer Grablegung beizuwohnen.«
    »I… i… ihrer Grablegung?«, stotterte Uta entsetzt.
    »Aber im Stall haben wir uns alle versammelt. Denn auch wir wollen ihre Seele dem Allmächtigen empfehlen.«
    Sofort dachte Uta an die Kiste zwischen dem Vater und dem Bruder und sackte daraufhin an der Tür des Brothauses in sich zusammen. Die Mutter ist tot, formten ihre Lippen die Worte, ohne sie laut auszusprechen. Sie würden sich nie wiedersehen, sich nie wieder umarmen können.
    Linhart deutete mit dem Kinn zum Himmel. »Das da oben sind alles Satansvögel. Sie setzen zum Sinkflug auf das Dach der Burgkapelle an.«
    Wie betäubt schaute Uta zu der Rabenschar auf.
    »Hoffentlich nehmen sie die Seele des Verbrechers bald mit sich in die Hölle«, stieß Linhart verbittert hervor.
    Uta war verwirrt. »Des Verbrechers?«
    Der Stallbursche nickte energisch, spähte aber im nächsten Moment vorsichtig um sich. »Der Graf«, flüsterte er. »Er hat sie ins Jenseits geschickt.«
    »Der Vater?« Uta schreckte auf und schlug sich die Hand vor den Mund. »Wie kannst du das wissen?«
    »Die Erna hat gestern gesehen, wie er zu ihr ging, er hat geschrien, und gekracht hat es auch. Danach lag die Gräfin krank im Bett. Als die Erna ihr daraufhin eine stärkende Brühe brachte, konnte sie schon nicht mehr schlucken. Noch am gleichen Abend haben sie ihren leblosen Körper über den Burghof getragen.«
    Mit dem Rücken drängte Uta sich fester gegen die Tür. »Der Vater hat die Mutter umgebracht.«
    »Es tut mir leid für Euch, Fräulein Uta. Und für uns alle hier.«
    »Er hat sie totgeprügelt«, wiederholte Uta lethargisch. »Bitte sagt niemandem etwas von meinem Besuch hier.« Aus dem Augenwinkel nahm Uta Linharts Nicken wahr und erhob sich.
    »Fräulein Uta, die schlechte Nachricht raubt Euch die Kraft. Ihr schafft das nicht alleine«, rief er ihr besorgt nach, als er sah, wie sie sich am Mauerwerk der Stallungen stützte.
    Mit ausgestreckter Hand bedeutete Uta dem Stallburschen, auf Distanz zu bleiben, und schleppte sich zur Burgmauer, wo sie sich mit letzter Kraft auf den Rücken des Pferdes zog.
    »Zurück nach Gernrode, Brauner«, hauchte sie und hatte nicht einmal mehr die Kraft zu weinen. Auf der Wiese vor dem Ballenstedter Südforst griff der Wind nach ihrem schützenden Umhang und gab ihren Körper dem einsetzenden Regen preis.
    Direkt nach dem Morgengottesdienst eilte Schwester Alwine in die

Weitere Kostenlose Bücher