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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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Werkmeister und dem Markgrafen unterhalten. Zufrieden entwirrte Notburga ihr Haar, warf es über die Schultern nach hinten und zog ihr Haarband zurecht. Diese Uneinigkeit zwischen Uta von Ballenstedt und dem Gatten hielte sicherlich auch noch bis zu Allerheiligen in einem halben Mondumlauf an – eine Uneinigkeit, die sie sich fraglos zunutze machen würde.
    Sie musste schon mehr als zwanzig Tage unterwegs sein. Der Weg erschien ihr unendlich lang. Nachdem Hazecha Gernrode verlassen hatte, hatte sie immer wieder nach dem Weg fragen müssen. Zuerst hatte ihr ein Herumtreiber die falsche Richtung gewiesen. Und als ob dies nicht schon genug Verzögerung wäre, hatte sie anschließend noch mehrere Tage und Nächte fieberkrank in der Hütte eines unfreien Ehepaares gelegen. Danach war sie dann einige Tage bis zur Pfalz in Allstedt im Schutz einer Pilgergruppe gereist.
    Ihren Schritt mäßigte sie nur dann, wenn ihre Beine so stark zitterten, dass sie zu stürzen drohte. »Geliebte Mutter, steht mir bei.« Ihre Worte verloren sich im Wind, der über die Felder wehte. Es war Herbst geworden, und ihre schwarzweiße Nonnentracht hielt sie unter einem dicken grauen Umhang verborgen.
    Nachdem sie die Pilgergruppe verlassen hatte, war ihr von einem Tuchhändler ein Platz auf seinem Fuhrwerk angeboten worden. Doch seitdem sie den Ort Memleben erreicht hatten, war sie wieder allein unterwegs, hatte Wälder gemieden, von Beeren gelebt oder tageweise gehungert. »Uta, ich bin auf dem Weg zu dir«, sprach sie sich Mut zu, wenn sie meinte, nicht mehr weiterzukönnen. »Ich bringe Gerechtigkeit.«
    An jenem Abend, an dem sie von weitem den Zusammenfluss von Saale und Unstrut erkannte, war sie sich sicher, nie wieder vor Esiko einzuknicken. Dabei umschlossen ihre kalten Finger die Wachspuppe in der Tasche ihres Umhangs.
    »Schwester, ich werde dir beistehen«, schwor sie und lenkte die wunden Füße auf einen Pfad, der wieder belebter war. Da waren Kaufleute, Berittene auf wahrhaft riesigen Pferden, Pilger und anderes Volk, von denen einige im Gehen die heilige Plantilla anriefen.
    Die Nacht war längst hereingebrochen, als Hazecha erschöpft auf einem Hügel stehen blieb und am Fuße des Burgbergs unzählige Zelte und Feuerstellen erblickte. Sie vernahm Lärm und auch Lieder, die wohl im Überschwang oder dank erhöhten Weinkonsums gesungen wurden.
    Obwohl es sie wahrscheinlich ein Viertel des Abends kosten würde, entschied sie sich, einen weiten Bogen um das Lager herum zu machen, um nicht Gefahr zu laufen, aufgehalten zu werden oder – noch schlimmer – derart geschwächt auf Esiko zu stoßen.
    Vor Kälte zitternd erreichte Hazecha den Burggraben, über dem tagsüber die Zugbrücke lag. »Lasst mich ein!«, rief sie mit heiserer Stimme. Ihr Hals brannte, und ihr Kopf drohte vor Hitze zu zerspringen.
    Nachdem sich nichts hinter dem Tor rührte, sank Hazecha auf die Knie. Das ferne Lager der Kämpfer im Rücken blickte sie zum Mond hinauf. Morgen ist Vollmond, dachte sie, und das Allerheiligenfest war damit keine zwei Tage mehr entfernt. »Bitte, lasst mich doch ein. Ich bin auf dem Weg zu meiner Schwester Uta und bringe Gerechtigkeit«, flehte sie und barg die eiskalten Hände im Schoß.
    »Wir lassen kein Bettlervolk mehr ein!«, rief da jemand aus einer Luke über dem Tor. »Schon gar nicht um diese Zeit!« Froh darüber, doch noch bemerkt worden zu sein, erhob sich Hazecha und trat an den Burggraben. »Ich muss mit Gräfin Uta sprechen.« Als sie sich der Luke entgegenreckte, drohten ihr die Beine wie Strohhalme wegzuknicken. »Ich bin die Schwester der Burggräfin.«
    »Die Schwester der Herrin?«, hörte sie den Mann raunen, der daraufhin mit einem weiteren, den Hazecha durch die Luke hindurch jedoch nicht zu sehen vermochte, in eine Diskussion verfiel.
    »Ich bin Hazecha von Ballenstedt und Schwester nach den Geboten des heiligen Benedikt«, versicherte sie und faltete die Hände zum Gebet. Als Nächstes vernahm sie ein Rattern und sah erleichtert, wie sich die Zugbrücke langsam senkte und schließlich vor ihren Füßen aufsetzte. Wankend betrat sie die hölzernen Dielen der Brücke. Sie war müde und am Ende ihrer Kraft. »Ich komme aus dem Kloster in Gernrode und werde wegen Eurer Großzügigkeit ein Gebet für Euch sprechen.«
    Die zwei Wachen in metallenen Hemden und einfachen Beinkleidern traten ihr am Tor entgegen. Als sie die zierliche Frau aus der Nähe betrachteten, ließen sie ihre Waffen sinken. »Die gleiche

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