Die Herrin der Kelten
entstieg die Sonne nun dem golden aufleuchtenden Haarschopf eines Mannes. Bán rieb seine schweißnassen Handflächen an seiner Tunika und bereute es sofort wieder. »Ist dies das Gefühl, das man vor einer Schlacht hat?«
»Ein bisschen.« Der Römer war grimmig. »In einer Schlacht hat man aber eine Waffe und zumindest die Illusion, frei wählen zu können.«
»Natürlich.« Hier gab es jedoch keine Wahl. Jetzt würde es sich bereits entschieden haben, ob sie Corvus als Krieger mit einem geliehenen Schwert in den Tod gehen ließen, oder ob Dubornos so viel Einfluss auf die Ratsmitglieder gehabt hatte, dass Corvus ein qualvolles Ende als gebrochener Mann auf der Plattform bevorstand. Wir hätten uns darüber beratschlagen sollen, wie er alledem vielleicht doch noch hätte entrinnen können, dachte Bán verzweifelt, aber wir haben es nicht getan. Caradoc ging jetzt hinter einer Weißdornhecke entlang und war für einen Moment aus ihrem Blickfeld verschwunden. Ohne seine Augen zu bewegen, zog Bán blitzschnell das Messer aus seinem Gürtel und hielt es dem Römer auf der flachen Hand hin. »Nimm es«, sagte er kurz. »Damit hast du eine Wahl.« Das Heft drückte flüchtig gegen seine Handfläche und war gleich darauf aus seiner Hand verschwunden.
Der junge Krieger war nun ganz nahe. Hail trottete neben ihm her. Caradoc griff nach unten, so wie er es mit seinem eigenen Hund tun würde, und tätschelte gedankenverloren Hails große Ohren. Eine Speerlänge von dem Römer entfernt blieb er stehen.
Und mit ihm hielt auch die Welt inne. Bán spürte, wie sich ihm die Kehle zuschnürte und wie in seinen Augen die Tränen brannten. Er versuchte zu sprechen und bekam doch kein Wort heraus. Der Römer saß vollkommen reglos da, wie zu einer Statue erstarrt. Sein Gesicht war kreidebleich.
Sie verharrten noch einen Moment, dann hob Caradoc den Arm zum Kriegergruß und neigte den Kopf, und das genügte.
Es war sogar mehr als genug; Worte hätten es auch nicht deutlicher ausdrücken können. Bán blickte weg, seine Augen noch immer von Tränen verschleiert. Er spürte, wie der Römer neben ihm so tief Luft holte, als ob es der allererste Atemzug in seinem Leben wäre. Und dann fluchte er leise; es war ein langer Schwall von fremd klingenden Worten, in dessen Mitte Nemain als Retterin gepriesen wurde und danach Briga, deren Vogel die Krähe war. Als ihm die Worte ausgingen, blickte er zu dem jungen Krieger auf.
»Danke«, sagte er. »Kannst du mir erklären, warum?« Er sprach Gallisch, aus Respekt vor Caradoc.
»Mac Calma hat von seinem Traum erzählt.« Caradoc hockte sich ins Gras. »Und dann hat Airmid von ihrem erzählt. Sie sind unsere beiden mächtigsten Träumer, und was sie gesehen haben, deckte sich in allen Einzelheiten. Nicht du bist es, den wir fürchten müssen, und dein Tod würde in keiner Weise helfen, eine Invasion aufzuhalten, wenn eine kommen sollte. Nachdem das klar war, waren es nur noch verletzter Stolz und die Erinnerung an die Gräueltaten deiner Vorfahren, die nach deinem Tod verlangten. Und das waren bei weitem keine ausreichenden Gründe. Die Träumer wollten dich nicht zum Tode verurteilen.«
»Du meinst, Airmid wollte es nicht tun?«
»Nein. Keiner von ihnen war dazu bereit. Sie haben das klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, und das hat die Abstimmung entscheidend beeinflusst. Einige stimmten zwar trotzdem noch für deinen Tod, aber die Mehrheit war auf deiner Seite.«
»Und du? Darf ich auch erfahren, wofür du gestimmt hast?«
Es war wichtig für Corvus, das konnte man sehen. Caradoc nickte. Seine Augen waren von einem verblüffenden Humor erfüllt. »Das darfst du, selbstverständlich«, erklärte er. »Meine Einstellung dir gegenüber hat sich seit dem Tag unserer ersten Begegnung ganz allmählich geändert. Als die See dich zu unseren Füßen ausspuckte, hätte ich dich am liebsten getötet, das weißt du. Und selbst noch nach deiner Rettungsaktion im Fluss hätte ich für deinen Tod gestimmt, weil ich das für notwendig hielt, um unser Volk vor Unheil zu bewahren. Aber die Träumer haben sich dagegen ausgesprochen, und ich vertraue ihnen. Wenn sie sagen, dass es keinen Grund dafür gibt, dich zum Tode zu verurteilen, und dass es eine Beleidigung gegen die Götter wäre, dich zu töten, dann glaube ich ihnen. Ich habe dafür gestimmt, dich gehen zu lassen, und ich bin froh, dass sich die Mehrheit der Ratsmitglieder ebenfalls dafür ausgesprochen hat.«
»Was ist mit Dubornos? Er
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