Die Herrin der Kelten
bewirtschafteten Waldlandes, in denen hier und dort die Hütte eines Köhlers stand und vereinzelte kahl geschlagene Stellen darauf hinwiesen, dass dort erst kürzlich Bäume gefällt worden waren, doch sie trafen nirgendwo auf Leute, die sie herbeiwinkten, um Neuigkeiten aus der Festung zu erfahren, oder die ihre Kinder schickten mit der Bitte, sie eine Strecke weit mitreiten zu lassen. Wenn Cunobelin zu Ohren kommen sollte, dass sein Sohn nicht mehr mit den Eceni reiste, dann würde ihn diese Nachricht nicht durch Zufall erreichen.
Am späten Nachmittag des zweiten Tages erreichten sie das Reiherfuß-Tal; die Ahnen hatten dem Ort diesen Namen auf Grund des Musters dreier Flüsse gegeben, die an dieser Stelle zu einem zusammenflossen und das Land so aussehen ließen, als ob der große Stelzvogel darüber hinweggeschritten wäre und dabei einen einzelnen Fußabdruck in der Ebene hinterlassen hätte, die sich zu beiden Seiten des Stroms ausdehnte. Die Flüsse selbst strömten durch breite, bewaldete Täler, die einen einzigartigen Kontrast zu der umgebenden Landschaft bildeten und natürliche Grenzen markierten. Hier liefen die Grenzen von drei verschiedenen Stammesgebieten zusammen; nördlich und östlich davon lagen die Länder der Eceni, die sich bis zur Küste und bis zum Wash hinauf erstreckten. Den Trinovantern, durch deren Land sie bisher gereist waren, gehörten sämtliche Gebiete südlich dieser Grenze. Westlich davon und direkt an das Land des Sonnenhunds angrenzend lag das Territorium der Catuvellauner. Das Reiherfuß-Tal selbst gehörte niemandem, da es das Reich der Götter war, ein heiliger Ort der Zuflucht und des Schutzes, der allen, die hier vorbeikamen, offen stand, damit sie eine Weile ausruhen konnten, ohne Angst vor einem feindlichen Angriff haben zu müssen.
Sie überquerten den Fluss gegen Abend, schwammen nackt durch das kalte, schnell dahinströmende Wasser und schlugen dann auf einer Lichtung am jenseitigen Ufer ihr Nachtlager auf.
Breaca bereitete sich ihr Bett im Schutz eines Dornendickichts, das in einiger Entfernung von der Hauptlichtung wuchs. Am Fuß der Bäume sammelten sich abendliche Nebelschwaden. Die Luft war erfüllt von dem Duft von Wiesenkerbel, vermischt mit dem durchdringenderen Geruch von Thymian und dem zarten Duft der ersten Weißdornblüten. Sie saß eine Weile still da, ihren Umhang fest um ihre Schultern geschlungen, und beobachtete, wie der Mond langsam höher am Himmel emporstieg und sich auf eine Stelle oberhalb des Dickichts zubewegte. Der Hase, der auf der Vorderseite des Mondes lebte, zeigte sein Gesicht, so dass die Ohren und das eine Auge auf die Erde herabblickten, um die Beobachterin zu beobachten. Breacas Schild hing ganz in der Nähe am Stumpf eines abgebrochenen Asts, ein weiß schimmerndes Oval, das Nemains Licht widerspiegelte. Die alte Narbe in ihrer Handfläche schmerzte wieder und hatte es schon seit dem Morgen getan.
»Darf ich mich zu dir setzen?«, sagte plötzlich jemand ganz in ihrer Nähe. Es war Airmid. Wenn sie wollte, konnte sie stets noch leiser gehen als die anderen.
»Wenn du möchtest.«
Breaca hatte sich nicht mit dem Rücken gegen einen Baum gesetzt, da sie überzeugt war, dass hier keine Gefahr drohte. Airmid kam herbei, um sich hinter sie zu setzen, und schlang ihr locker die Arme um die Taille. Ihr Kinn ruhte dicht an Breacas Schulter, so wie sie oft dagesessen hatten, wenn sie sich miteinander hatten unterhalten wollen, ohne gehört zu werden.
»Sie ist Träumerin«, erklärte Airmid. »Und sie ist außerdem schwanger. Wir haben gemeinsam die Geburt ihres Kindes geträumt und welchen Namen es bekommen sollte. Es war ihre erste Vision. Sie konnte sie nicht allein herbeirufen.«
Die Worte pulsierten durch Breaca hindurch und drückten die Luft aus ihrer Brust. »Cerin? Du sprichst von Cerin?«
»Ja.«
»Sie hatte aber nicht den frohen, beschwingten Gang einer Frau, die im Traum ihr Kind hat heranwachsen sehen.«
»Sie hat seinen Tod gesehen«, sagte Airmid. »Es war kein schöner Traum.«
»Ist es auf Befehl des Sonnenhunds getötet worden?«
»Nein. Es starb durch den Speer und dann durch das Schwert seines Sohnes. Zwischen dem ersten Stoß und dem zweiten lag ein halber Tag.«
Dann also Amminios. Weder Caradoc noch Togodubnos würden so etwas tun, was auch immer der Grund sein mochte.
Breaca lehnte sich in die Umarmung zurück. Die Hände, die ihre Taille umfassten, waren ihr vertrauter als die jedes anderen Menschen,
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