Die Herrin der Kelten
mehr Kriegern den Treueeid abgenommen, als Cunobelin es jemals getan hatte, aber Caradoc war nicht bei ihr. Die Anführerin der Briganter hatte ihre eigene Delegation in den Süden geführt und war sowohl durch die Größe der Opfergaben aufgefallen, die sie an Cunobelins Grab zurückließ - sie hatte einen mit funkelndem Gold verzierten Streitwagen und einen Schild aus dem gleichen Metall gespendet - als auch durch ihr Benehmen. Sie war keine feinsinnige, zurückhaltende Frau, und während Caradoc eindeutig nicht in ihrem Gefolge war, hatte sie doch überall verbreitet, dass er einen noch nicht lange zurückliegenden Winter in ihrem Versammlungshaus verbracht und ihr ebenso eifrig »den Hof gemacht« hatte, wie es sein Vater jemals bei irgendeiner Frau getan hatte.
Breaca, die besser als die meisten anderen wusste, welche der Geschichten auf Wahrheit beruhten, beobachtete die junge Frau aus einiger Entfernung. Sie hatte nur wenig über Cartimandua gewusst, bis zu dem Tag ihrer Ernennung zur ranghöchsten Kriegerin von Mona, als sich herausgestellt hatte, dass die Frau vom Stamm der Briganter indirekt der Grund für Venutios’ Abberufung in die Heimat war.
Es war eine sonderbare Zeit gewesen, jene vage, nebelhafte Übergangsphase, als der Schutzmantel des Anführers noch nicht vollständig von dem alten Amtsinhaber auf den neuen übergegangen war und weder der Erstere noch der Letztere sich schon so recht an den Wechsel gewöhnt hatten. In den Tagen unmittelbar danach hatte Venutios Breaca in Tallas Großes Versammlungshaus geführt und ihr alles das vermittelt, was er über die Lehren des ranghöchsten Kriegers wusste, ein Wissen, das seit der Zeit der ältesten Ahnen in einer ununterbrochenen Linie weitergegeben worden war. Er hatte ohne jede Schwierigkeit zweihundert seiner Vorgänger benannt, von denen jeder Einzelne den Titel für ein Jahrzehnt oder sogar noch länger geführt hatte; und unter Venutios’ Anleitung hatte Breaca nicht nur die Namen gelernt, sondern auch von den Träumen jedes Einzelnen erfahren und von der Macht, die er besessen hatte, und sie hatte die Geschichten ihrer Prüfungsnächte gehört. Die Ehrfurcht vor der jahrtausendealten Tradition und den großartigen Leistungen ihrer Vorgänger sowie das Bewusstsein, mit welch ungeheurer Verantwortung dieses Amt verbunden war, hatten Breaca vor heiliger Scheu verstummen lassen. Sie wusste jetzt Dinge, die selbst Talla noch nie gehört hatte und die sie auch niemals erfahren würde.
Am ersten Tag, dem Tag ihrer Ernennung, war es noch anders gewesen und weniger leicht. Breaca war am späten Nachmittag auf Venutios getroffen, während er am Flussufer im Schatten der Haselnussbäume gesessen und einen Apfel gegessen hatte. Aus der Ferne hatte er einen durchaus zufriedenen Eindruck gemacht; als sie näher gekommen war, waren jedoch sein Kummer und die schleppende Resignation offensichtlich gewesen, und Breaca wäre wieder fortgegangen, hätte er sie nicht gerufen und aufgefordert, sich zu ihm zu gesellen. Sie hatten eine Weile schweigend dagesessen, und Breaca hatte versucht, die Grenzen seines inneren Friedens abzuschätzen, und dann festgestellt, dass er zwar intakt war, aber nur gerade eben noch. Sie hatte zu jenem Zeitpunkt noch nicht gewusst, dass von ihr nicht verlangt werden würde, diesen Frieden zu verbreiten, so wie Venutios es immer getan hatte.
Schließlich hatte er einen anderen Apfel zerteilt, ihr eine Hälfte davon gegeben und dann - so als ob er zu dem Fluss spräche - gesagt: »Mein Volk sind die im Norden lebenden Briganter, der kleinere Teil dieses Stammes. Es ist der Wunsch unserer Ältesten, dass wir uns mit Cartimandua, die über den größeren, im Süden lebenden Teil herrscht, zu einer Einheit zusammenschließen, die größer und stärker ist als jeder Teil für sich allein. Aus diesem Grund bin ich nach Hause zurückbeordert worden.« Er hatte das Apfelgehäuse in den Fluss geworden. Sein kantiges, sonst so offenes Gesicht war verschlossen gewesen. »Cartimandua hat noch nie einen Fuß auf Mona gesetzt, und sie wird das auch niemals tun. Sie glaubt, dass ihr Wille und jener Brigas eins sind und dass sie keine Träumer braucht, um die Worte der Götter zu deuten oder um zwischen ihnen und den Menschen zu vermitteln. Sie hämmert ihrem Volk dies ein und lässt sich von ihnen wie eine Göttin behandeln.«
Breaca hatte ruhig erwidert: »Niemand herrscht bis in alle Ewigkeit.«
»Nein. Und es ist der Wunsch unserer Ältesten,
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