Die Herrin der Kelten
auf. Die ganze Nacht über hatte er zu Nemain gebetet, die über die Wasser herrschte, und es schien fast so, als hätte sie sein Gebet endlich erhört. »Er hat die Ruhr«, erklärte er. »Ich warte darauf, dass es Morgen wird, damit ich ihn zur Großmutter bringen kann.«
»Tust du das?« Die Frauenstimme verschmolz fast mit dem Rauschen des Flusses. Er erkannte die Stimme nicht; er hörte nur an ihrem Klang, dass die Frau sich über ihn lustig machte. Sie sagte: »Tja, dann wirst du wohl noch ein oder zwei Tage länger warten müssen. Deine Schwester hat nämlich ihre erste Blutung bekommen, Bán. Sie ist im Frauenhaus bei Macha und den Großmüttern. Und sie werden dort noch für ein paar Tage bleiben, falls wir nicht von einem Krieg, einer Feuersbrunst oder einer Überschwemmung heimgesucht werden.«
Bán stand wie betäubt da. Die Nachricht traf ihn wie ein Fausthieb in den Magen. Hail protestierte fiepend, als er ihn vor lauter Schreck plötzlich noch fester an sich presste. »Wann...?«, fragte er, und dann, weil der Zeitpunkt sehr viel weniger wichtig war als die Tatsache, dass er nichts davon gewusst hatte: »Warum haben sie mir denn nichts davon gesagt?«
» Wann war letzte Nacht, als der Mond aufging. Und was den Grund dafür angeht, warum sie dir nichts davon gesagt haben? Das müsstest du schon deine Mutter fragen. Wärst du im Rundhaus gewesen, hättest du sie gehen sehen, aber da du nun mal abseits von den anderen schläfst, haben sie es vermutlich nicht für nötig gehalten, dich zu wecken.«
»Aber ich war doch wach«, erwiderte er unglücklich. »Ich habe über Hail gewacht.« Er dachte an seine flehentlichen Gebete, an die Versprechen, die er der Gestalt des Mondes im Wasser gemacht hatte, und daran, wie nutzlos sie gewesen waren, und er wünschte, die Götter hätten irgendeine Möglichkeit gefunden, es ihm zu sagen, bevor es zu spät war.
Die Frau kam einen Schritt näher. »Ich verstehe. Es tut mir Leid, dass du sie verpasst hast. Und ihnen wird es auch Leid tun, wenn sie wieder herauskommen und erfahren müssen, dass dein Welpe tot ist. Es gibt niemanden, der sich nicht um ihn sorgt, nachdem … nach allem, was passiert ist. Aber vielleicht kann ich dir ja helfen?«
Die Frau war jetzt ganz nahe, stand seelenruhig neben ihm in der starken Strömung, als ob der Fluss ihr Zuhause wäre, mehr noch als das Land. Bán blickte auf und erkannte zu seinem Schrecken und seiner Verzweiflung, dass es Airmid war - die sonderbare, verrückte Airmid, die mit den Fröschen sprach -, was bedeutete, dass er erledigt war. Die Kälte in seinen Füßen kroch bis zu seinem Herzen hinauf und ließ es zu Eis erstarren.
»Ich... ich kann nicht...« Es war die Kälte, die schuld daran war, dass er plötzlich stotterte, das hätte er schwören können.
»Nun beruhige dich, ich werde dich schon nicht fressen.« Ihr Lächeln hatte etwas Wissendes an sich. Ihre Stimme war dieselbe, die er vorhin vom Ufer hatte erschallen hören. Er nahm sie jetzt nur anders wahr. »Du brauchst nicht alles zu glauben, was man dir über mich erzählt.«
»Das tue ich auch nicht«, erwiderte Bán.
Das stimmte, wenn auch nur aus dem Grund, weil die eine Hälfte der Dinge, die er über Airmid gehört hatte, in absolutem Widerspruch zu der anderen Hälfte der Gerüchte stand. Die älteren Jungen konnten sie nicht leiden. Und zwar deshalb, weil sie Dubornos angeblich bleibenden Schaden zugefügt hatte, als er sich zu angestrengt darum bemüht hatte, ihre Gunst zu erringen und Gefälligkeiten von ihr zu erbitten. Das behaupteten die Jungen zumindest, wenn Airmid nicht in der Nähe war und die anderen Mädchen gerade nicht hinhörten. Bán war zwar nicht in die Unterhaltung eingeweiht, bei der die genaue Art dieses Schadens im Detail erklärt worden war, aber es wurde gemunkelt, dass Dubornos von Glück reden könnte, wenn er in der Lage wäre, eigene Kinder zu zeugen, wenn er ins Mannesalter kam; und im Winter hatte es ganz zweifellos einen oder zwei Monate gegeben, in denen für alle offensichtlich gewesen war, dass er hinkte.
Das war die eine Hälfte dessen, was über Airmid erzählt wurde. Die andere Hälfte stammte von Breaca, was diese Hälfte eigentlich hätte glaubwürdiger machen müssen, doch Bán hatte trotzdem so seine Zweifel. Breaca diente der Großmutter als Augen und Glieder, was eine große Ehre war, aber auch sehr gefährlich. Airmid war ihre Vorgängerin gewesen und hatte fünf Jahre bei der Großmutter gewohnt, und
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