Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
demonstrativ mit über der Brust verschränkten Armen sperrte.
Langsam kam sie näher. »Das war sehr dumm von dir«, keuchte sie, vom Treppensteigen außer Atem. »Ich wusste bis eben nicht, welche der Türen auf diesem Stockwerk ich hätte öffnen sollen.«
»
Diese
werdet Ihr bestimmt nicht öffnen«, verkündete Crescentius und stemmte die Beine trotzig auf den Boden.
Sie wurde ernster. »Ich möchte meinen Enkel sprechen.«
»Ihr wollt ihn zu einer Eurer Kreaturen machen, so wie alle die anderen Menschen, die Ihr für Eure gemeinen Zwecke benutzt habt, die Euch hörig waren, weil Ihr sie erpresst, bezahlt oder«– dabei grinste Crescentius –»sonstwie gefügig gemacht habt.«
»Ich verstehe«, versetzte sie trocken, »du willst damit sagen, dass Octavian deine Kreatur ist und für deine Zwecke eingespannt wird, die natürlich viel edler sind als meine.«
Crescentius’ Miene blieb glatt und kalt wie eine Klinge. Marocia versuchte, ihn sacht beiseite zu schieben, aber Crescentius war zu athletisch, als dass eine alte Frau vermocht hätte, ihn auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Ein letztes Mal bat sie ihn, zur Seite zu treten, doch nachdem sie nur ein genüssliches Grinsen als Antwort erhalten hatte, folgte sie einer spontanen Regung und stieß ihm das Stockende in den Unterleib. Crescentius stöhnte laut auf und sank augenblicklich auf die Knie. Ohne ihn weiter zu beachten, öffnete Marocia die Tür.
Im nächsten Augenblick stand sie vor einem Bett, in dem Octavian lag, umschlungen von den Armen eines gleichaltrigen Burschen. Dieser sah mit seinem schwarzen Haar, das ihm bis auf die Schultern fiel, dem schlanken Gesicht und dem dünnen Flaumbart sehr gut aus, doch Marocia genügte ein kurzer Blickkontakt, um ihn als typischen Bewohner des Transtiberim einzuordnen. Er sprang aus dem Bett und blieb nackt daneben stehen, Octavian hingegen zog die Decke bis zum Kinn und blickte ängstlich auf seine Großmutter.
»Wir sind einander noch nicht vorgestellt worden«, sagte Marocia an den unbekannten Jüngling gewandt. »Wie ist dein Name?«
»Ganymed«, antwortete der Bursche mit fester Stimme. Er schien sich nicht zu schämen, unbekleidet vor der Senatrix der Ewigen Stadt zu stehen. »Jedenfalls nennen mich alle so.«
Marocia konnte sich ein vergnügtes Schmunzeln nicht verkneifen. »Ganymed also. Der Name des Favoriten des Zeus. Wie passend! Der künftige Stellvertreter Christi stellt gewiss keinen schlechten Ersatz für den griechischen Göttervater dar, nicht wahr?«
Ganymed hielt ihrem Blick stand, aber er schwieg. Vermutlich hatte er die Anspielung auch gar nicht verstanden.
»Bitte, Großmutter«, jammerte Octavian. »Ich kann es erklären.«
»Oh«, rief sie gedehnt. »Die Situation bedarf keiner Erklärung.«
»Es tut mir Leid, dass ich . . .«
»Und sie bedarf schon gar keiner Entschuldigung«, unterbrach sie ihren Enkel.
Octavian stutzte. »Ja, seid Ihr denn nicht empört, Großmutter?«
Marocia lachte auf. »Empört? Ich kann mich nicht erinnern, mein Junge, jemals empört gewesen zu sein. Wütend vielleicht, zornig, verbittert, enttäuscht . . . Aber was ich hier sehe, erregt keines dieser Gefühle in mir. Es ist mir gleich, ob du dir ein Weib, einen Mann oder einen Esel ins Bett holst – bisweilen ist das ohnehin dasselbe, wie ich aus eigener Erfahrung weiß.«
Octavians Gesicht hellte sich merklich auf, seine Augen verloren einen großen Teil ihrer Ängstlichkeit, und seine Hände umkrampften nicht länger die Bettdecke. »Aber . . . was willst du sonst von mir?«
»Ich will dein Vertrauen«, sagte sie und bemerkte zufrieden, wie Octavian stutzte. Sie setzte sich auf die Kante des Bettes und nahm seine Hand. »Ich möchte nicht lange herumreden. Du bist auf dem besten Wege, uns alle in Gefahr zu bringen, wenn du dich weiterhin im Untergrund herumtreibst. Ich kann die Kardinäle nicht mehr alleine steuern. Manche sind Berengar von Ivrea hörig, der von Friaul aus intrigiert, andere schielen nach Byzanz. Wenn du dich nicht ein wenig zusammenreißt, mein Junge, fliegt unser ganzes Vorhaben auseinander, und wir alle mit ihm.«
»Ich werde nicht auf Ganymed verzichten, wenn Ihr das meint«, gab Octavian trotzig zurück. »Da könnt Ihr noch so lange reden. Ihr . . . Ihr versteht das nicht. Er . . . er ist der erste Mann, den ich . . . nun ja . . .« Er warf einen verlegenen Blick zu dem Jüngling. »Ich habe ihn sehr gern.«
Marocia strahlte ihren Enkel mit aller Anmut an, die sie
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