Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
einmal sie hatten je Pfefferkörner gesehen, sondern nur von ihnen gehört. Das seltene Gewürz stammte aus Ländern, deren Namen hier niemand kannte oder auch nur aussprechen konnte, und es musste mühsam über von Räubern bedrohte Karawanenstraßen und von Piraten gesäumte Wasserwege herangebracht werden. Kein Wunder also, dass die Kaufleute sich jedes einzelne Pfefferkorn mit bis zu zehn Goldstücken aufwiegen ließen, mehr als das jährliche Salär von drei Waffenträgern. Ein ungeheurer Luxus, den nicht einmal der Pontifex sich erlauben konnte.
»Ich werde ausgeblutet«, jammerte Berengar und stopfte sich die Beere in den Mund. »Otto hat mich nicht als Lehnsmann anerkannt und versucht, Friaul dem Herzog von Bayern als Lehen zu geben. Das Gebiet um Trient hat er mir schon abgenommen, und nun versucht er, die Venezianer gegen mich, ihren geliebten Herrn, aufzubringen.«
Crescentius und sein Begleiter sahen sich an und verdrehten die Augen, als Berengar mit einer weiteren Beere beschäftigt war. »Sogar meine Geistlichen nimmt er mir weg«, lamentierte der Markgraf weiter. »Den Bischof von Cremona hat er mir nichts, dir nichts als Berater in sein Gefolge geholt. Nicht, dass ich Liudprand vermisse, diesen kargen, wolfsäugigen Anhänger der cluniazensischen Ideen. Aber er hat die Bürger so herrlich zur Enthaltsamkeit angehalten, und außerdem geht es mir auch ums Prinzip.«
Crescentius atmete tief durch. Er saß nun schon eine geraume Weile beim Markgrafen und hatte bisher nichts als Wehklagen gehört. Deswegen aber war er nicht eigens den Weg nach Verona geritten.
Als hätte Berengar das Desinteresse seines Gastes bemerkt, lehnte er sich plötzlich auf seinem Sessel weit zurück und glitzerte Crescentius aus verschlagenen und Respekt einflößenden Augen an. »Nun zu dir. Das letzte Mal, als ich deinen Ratschlägen folgte, junger Freund, bin ich damit auf die Nase gefallen. Und Berengar fällt nicht gerne auf die Nase. Weißt du, warum?«
Crescentius schluckte. »Nein, warum?«
»Weil es so anstrengend für mich ist, wieder hochzukommen.« Berengar quiekte wie ein Ferkel über seinen eigenen Scherz und klopfte Crescentius versöhnlich auf die Schulter. Als er sich wieder beruhigt hatte, sagte er: »Ein Gutes hatte das Debakel damals aber doch. Ich stehe seither mit Byzanz auf gutem Fuße, du verstehst? Geld, Söldner . . . die geben mir alles, was ich brauche, um Otto zu ärgern.«
In diesem Moment fing Crescentius’ Begleiter an, laut zu husten – er hatte eines der schwarzen Pfefferkörner genommen und zerkaut. Berengar musterte den ihm unbekannten Mann abschätzig. Seine Kleidung wirkte soldatisch, aber nicht uniform, und sie sah ein wenig vernachlässigt aus. Er war mittleren Alters, offenkundig nicht ganz helle und schien definitiv bei einem konspirativen Treffen fehl am Platze zu sein.
Berengar grunzte leise vor sich hin, erhob sich schließlich und bat Crescentius ein wenig zur Seite. Sie gingen zu einem der Fenster, von wo aus halb Verona zu überblicken war. Zwei Bauwerke ragten majestätisch aus der Häuserebene hervor und warfen im Licht der Nachmittagssonne lange Schatten: das altrömische Amphitheater, das aussah, als sei es erst gestern fertig gestellt worden, und die ehrwürdige Kathedrale
Sancta Maria Organo
, einst Wiege und Ausgangspunkt für die christliche Missionierung der germanischen Länder.
»Seid unbesorgt«, nahm Crescentius den Einwand Berengars vorweg. »Ich denke für ihn mit.«
»Das will ich hoffen«, meinte Berengar ungewohnt leise. »Denn hinter seiner Halbglatze scheint er kein Hirn zu haben. Wer ist er?«
»Pandulf, der
superista minor
und damit Stellvertreter Landos. Mit seiner Hilfe werde ich der Herr von Rom.«
Berengars Kehle entrang sich ein gedehntes, gesangliches Oh, das jedem Novizenchor zur Ehre gereicht hätte und voll von Hoffnung war. »Ich gebe dir Söldner und Waffen, Crescentius. Dafür verlange ich, dass dein törichter Neffe Otto mit dem Bann belegt, sobald du die Macht hast. Das dürfte ihn die Unterstützung eines Teils des italienischen Adels kosten und wird meine Position erheblich verbessern. Doch halt, du sagtest . . .«
»Ja?«
»Dieser Dingsda ist nur der Stellvertreter. Die Miliz hört auf Lando.«
»Noch ja«, räumte Crescentius ein. »Aber sollte ein unglückliches Geschick ihn verschwinden lassen . . .«
Berengar lehnte sich aus dem Fenster und blickte über Verona. Sein quietschendes Lachen begann leise, steigerte sich von
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