Die Herrin der Pyramiden
erhielt elf Bewerbungen. Am dritten verlorenen Tag suchte mich Reni auf, um mir die Bewerberinnen vorzustellen. Ich hatte darauf bestanden, die endgültige Auswahl selbst vorzunehmen. Ich saß im Garten, während er in meiner Anwesenheit die Mädchen nacheinander nach ihrem Namen, ihrer Herkunft und ihren Erfahrungen fragte. Sie waren Töchter von Handwerkern, Feldbauern und Kriegern. Zwei der Frauen stammten aus der Wäscherei des Palastes, eine war für die Versorgung der Palastwache zuständig, eine war Küchenhelferin in der Palastküche, eine weitere arbeitete in der Bäckerei, noch eine wusch das Geschirr nach den Mahlzeiten, eine war Kleidermacherin, eine andere eine fremdländische Gefangene, derzeit ohne Beschäftigung.
Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen, als Reni zuletzt die Bäckerin befragte. »Satamun!«, rief ich und sprang auf.
»Nefrit? Dann ist es also wahr, was man sich erzählt.«
Satamun hatte sich nicht verändert, seit sie meinen Vater und mich vor über sieben Jahren verlassen hatte, um eine Stelle im Palast von Pihuni anzunehmen.
»Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich wiedersehe, Satamun.«
»Und ich habe mich immer gefragt, wer wohl diese Nefrit ist, die Prinz Rahotep den Kopf verdreht hat. Man erzählt sich die haarsträubendsten Geschichten über dich in der Dienerschaft. Du sollst Schreiber sein. Und studiert haben. Du sollst auf der Baustelle der Pyramide arbeiten und Männer herumkommandieren.«
»Das ist alles wahr.«
»Du meine Güte, dann hast du deinen Kopf ja doch durchgesetzt! Als ich all diese Gerüchte hörte, dachte ich: Das ist die Nefrit, die ich kenne. Und nun wirst du Prinz Rahotep heiraten,
Prinzessin
Nefrit?«
Wir lachten und hatten viel Spaß.
Reni wagte nicht, mir meine Entscheidung auszureden. Satamun wurde meine Vorsteherin der Roben.
»Stimmt es, dass du gestern versucht hast, Kari freizulassen?«
»Woher weißt du davon?«
»Eine Freundin von mir ist die Vorsteherin der Salbgefäße bei Prinz Nefermaat. Sie hat mir ganz im Vertrauen erzählt, dass er einen Wutanfall hatte, als ihm die Palastwache während des morgendlichen Schminkens den Vorfall meldete. Danach hat er mit dem König gesprochen.«
»Woher weißt du das nun wieder?«
Satamun lächelte verschmitzt. »Nefermaats Zeremonienmeister ist ein leidenschaftlicher Liebhaber.«
»Dein Netz von Spionen ist besser als das des Ministeriums für die Fremdländer.« Tatsächlich kannte Satamun die Dienerschaft der königlichen Haushalte. Zu meinem Bedauern kannte sie niemanden im Haushalt meines künftigen Mannes. Einige Überraschungen wären mir erspart geblieben.
Am letzten Tag des Jahres rief mich Nefermaat erneut zu sich. Zunächst vermutete ich, ich sollte mich für die versuchte Freilassung von Kari vor dem König verantworten. Doch es kam viel schlimmer.
Nefermaat saß hinter seinem Schreibtisch, als ich von seinem Zeremonienmeister in seinen Arbeitsraum im Ministerium geführt wurde.
»Du hast mich rufen lassen?«
»Setz dich, Nefrit.« Ein Diener stellte einen Stuhl hinter mich, und ich nahm Platz. Es war ungewöhnlich, dass Nefermaat mich während einer seiner Kurzaudienzen sitzen ließ. Irgendetwas war geschehen, das konnte ich seinem ernsten Gesichtsausdruck entnehmen.
Umständlich zog er einen Papyrus aus dem Stapel von anderen Rollen auf seinem Schreibtisch hervor und entrollte ihn. »Mein Bote aus Tis ist eingetroffen.«
Mit dieser Information konnte ich zunächst nichts anfangen und schwieg.
»Ich habe die Geburtsregister von Tis für das einundzwanzigste Regierungsjahr Hunis einsehen lassen, um die für deine Heirat nötige Abschrift daraus einzuholen. Es ist dort keine Nefrit verzeichnet, weder im ersten noch in irgendeinem anderen Mond.«
Ich starrte ihn an und begriff nichts.
»Dies hier sind die Abschriften für das neunzehnte, das zwanzigste und das zweiundzwanzigste Regierungsjahr. Auch hier findet sich keine Nefrit.«
»Ich verstehe nicht …«
»Glücklicherweise war der Bote so intelligent, nach Abodu weiterzureisen, um das dortige Haus der Gerechtigkeit aufzusuchen. Vielleicht war deine Geburt ja dort verzeichnet.«
»War sie es?«, fragte ich mit zitternder Stimme.
»Nein. Also kehrte der Bote nach Tis zurück und durchsuchte die Steuerlisten nach den Namen Kamose und Cheti, die du als deine Eltern angegeben hast.« Die ich als meine Eltern angegeben hatte? Sie waren doch meine Eltern – oder nicht?
»Und?« Meine Stimme war kaum mehr als ein
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