Die Herrin der Pyramiden
Regieren der Beiden Länder ist eine asketische Tätigkeit, Nefrit. Die Staatsverwaltung zwingt den König in ein auch zeitlich geregeltes Zeremoniell, das morgens nach dem Bad und dem Ankleiden mit den Morgenriten im Tempel beginnt. Nach den Riten bespricht er mit dem Hohepriester des Atum die wirtschaftliche Lage des Tempels. Dann kehrt er in den Palast zurück und lässt sich von seinem Wesir Papyri zur Entscheidung vorlegen und bespricht mit ihm die politische und wirtschaftliche Lage des Staates. Im Laufe des Tages suchen immer wieder Minister und Gaufürsten um Audienzen nach. Einen großen Teil des Arbeitstages verbringt er allein oder mit seinen Schreibern, verfasst Dekrete und erteilt Weisungen an die Ministerien.«
»Bei meinen Spaziergängen durch den Palast habe ich in seinem Arbeitsraum oft noch um Mitternacht eine Öllampe brennen sehen.«
Die Königin sah mich überrascht an und stellte ihren Becher auf das Tablett zurück, das ihr erneut gereicht wurde. »Du bist so spät noch unterwegs? Dann wundert es mich nicht …«
»Was, Euer Majestät?«
»Seneferu bat mich, dich nach deinem Zustand zu befragen.«
»Mein Zustand? Ich verstehe nicht …«
»Der König will wissen, ob du schwanger bist.«
Ich war verärgert über die Frage, die ihn meines Erachtens nichts anging. »Ist das Bedingung für die Hochzeit?«
»Nein, aber Bedingung für Rahoteps Ernennung zum Thronfolger.«
Mit diesen Neuigkeiten suchte ich Rahoteps Arbeitsraum auf. Sein neuer Zeremonienmeister Ameni erhob sich bei meinem Eintreten und kam mir entgegen.
»Ich will zu meinem Verlobten«, verlangte ich.
»Er ist in einer Besprechung.«
»Wer ist bei ihm?«
»Kommandant Ti.«
»Seit wann?«
»Schon den ganzen Nachmittag.«
»Den ganzen Nachmittag? Was besprechen sie denn so lange? Strukturieren sie das ganze Heer um?«
»Dafür wäre Prinz Khufu als Oberkommandierender zuständig.«
»Melde mich an!«
»Ich bedaure, ich darf den Prinzen nicht stören.«
Ich hinterließ bei Ameni eine Nachricht für Rahotep, dass ich ihn zum Abendessen zu treffen wünsche, um einige private Dinge mit ihm zu besprechen. Zwei Stunden wartete ich mit dem Essen auf ihn, dann ließ ich die Schüsseln in die Küche zurücktragen. Der Appetit war mir vergangen. Er hatte nicht einmal eine Nachricht gesandt.
Am nächsten Morgen wagte ich den nächsten Vorstoß. Kurz nach Sonnenaufgang tauchte ich im Vorzimmer auf, wo sich Ameni mir erneut entgegenstellte. »Ich wünsche mit Prinz Rahotep zu sprechen.«
»Er hat Besuch. Er empfängt derzeit Priester aus dem Sonnentempel. Der jährliche Wirtschaftsbericht des Tempels wird vorgelegt.«
»Wie lange wird das dauern?«
»Die Priester werden wohl nicht mehr lange benötigen, um dem Prinzen die Gewinne des Tempels vorzulegen.«
»Dann werde ich warten.«
»Prinz Rahotep wird sofort anschließend nach Iunu abreisen, um die dortige Neujahrsprozession …«
»Neujahr ist erst in einer Woche!«
»Der Prinz hat sich entschlossen, die dunklen Tage vor dem Jahresende in seiner Villa in Iunu außerhalb des Tempels zu verbringen, um sich durch Meditation auf die Prozession vorzubereiten.«
Rahotep schien nicht zu wissen, dass die Nachfolgeregelung von meiner Schwangerschaft abhing!
4
Am ersten der fünf dunklen Tage erwachte ich im Schein der ersten Strahlen des Re. Meine Dienerin, die sonst das Fliegennetz und die Sonnenvorhänge vor den Fenstern beiseite zog, war noch nicht erschienen. Also stand ich auf, schlug selbst die Vorhänge auf und genoss den Blick auf den neuen Tag.
Ich ging in den Garten, um ein Bad zu nehmen, dann kehrte ich in meine Wohnung zurück, um mich ankleiden zu lassen. Mittlerweile war die Dienerin für das Zurückziehen des Vorhanges eingetroffen und entschuldigte sich mit unendlich vielen Worten dafür, dass sie nicht rechtzeitig vor meinem Erwachen an meiner Seite gewesen sei. Erst als ich ihr versprach, sie nicht zu bestrafen, hörte sie auf, auf mich einzureden.
Die Vorsteherin der Roben schien ebenfalls verschlafen zu haben. Ich wusste von Kari, dass in meiner und Rahoteps Dienerschaft in der vergangenen Nacht ein Fest mit Tanz und Gesang gefeiert worden war. Zudem hatte ich die Musik und das Lachen der Feiernden im Hof der Diener hinter meinem Garten hören können, als ich zu Bett ging. Kari würde schon noch auftauchen!
Zum Entsetzen meiner Dienerinnen zog ich mich selbst an und schnürte den Gürtel. Als mir die Vorsteherin der Perücken mein Haar
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