Die Herrin der Pyramiden
antwortete nicht.
»Ich dachte, du triffst immer alle Entscheidungen selbst?«
»Das tue ich, Majestät.«
»Und wie hast du dich in Bezug auf mich entschieden?«
»Ich verstehe nicht …«
Er setzte sich auf. »Du verstehst sehr gut, Nefrit. Du willst mich genauso, wie ich dich will.«
»Ich will …« Weiter kam ich nicht, weil er mir mit seinen Lippen den Mund verschloss.
»Du hast meine Abwehr im Sturm genommen, Nefrit. Ich hatte mir vorgenommen, nicht mehr zu heiraten, aber du hast mich eines Besseren belehrt. Komm mit mir nach Akkad und werde meine Königin!«, flüsterte er.
»Nein, das ist unmöglich!«
»Nichts ist mir unmöglich, Nefrit!« Und wieder küsste er mich leidenschaftlich. Seine Hände waren überall. Mein Widerstand schien ihm nicht glaubwürdig.
Er drückte mich auf die Matte und schob mein Gewand hoch. Seine Lippen liebkosten mein Gesicht, meinen Hals, meine Brüste, während seine Hände meine Arme festhielten.
»Bei Inanna, wie schön du bist, Nefrit!«, hauchte er. »Liebe mich!«
Am nächsten Morgen ließ ich den an den Vortagen ausgehandelten Friedensvertrag in zwei Versionen erstellen, einer sumerischen Version in Keilschrift auf einer Tontafel und eine Version für die Archive von Mempi in Bildschrift auf Papyrus.
Sargon wartete mit seinen Söhnen Urnammu, Rimusch und Mesilim im Zelt, als Seneferu mit Rahotep, Khufu und Djedef eintraf, um den Vertrag feierlich zu siegeln.
»Bevor wir diese Verträge durch unsere Siegel in Kraft setzen, habe ich noch einen Wunsch, mein Bruder.« Ich übersetzte Sargons Worte.
»Einen Wunsch?«, fragte mich Seneferu. »Was will er?«
Ich hatte keine Ahnung, was jetzt kommen sollte, und fragte Sargon.
»Bitte sage Seneferu, dass ich um deine Hand anhalte. Nach dem Tod meiner Tochter Ninsun sollten Seneferu und ich ein Bündnis schließen. Und was ist besser zur Besiegelung eines solchen Bündnisses zwischen unseren Völkern als eine Frau?«
Ich wandte mich an Seneferu: »König Sargon bittet um meine Hand als Garantie für den Frieden …«
Seneferu sah mich überrascht an. »Mir scheint, dass du genau weißt, was der Grund dafür ist.«
»Ja!«, sagte ich einfach.
Sargon sah zwischen uns beiden hin und her und erwartete wohl eine einfache und klare Antwort. »Warum übersetzt du nicht seine Worte, Nefrit?«, fragte er ungeduldig.
»Er fragt nach einer Antwort«, drängte ich Seneferu.
Sein Gesicht wirkte müde, dabei hatte er einen seiner größten Siege davongetragen: den Frieden mit Sumer, die Abwendung der Vernichtung der Beiden Länder. »Du gehst auf keinen Fall nach Akkad! Wir haben nicht über Geiseln verhandelt.«
»Das wird ihn nicht beeindrucken«, wandte ich ein.
»Bitte übersetze meine Worte ohne deinen Kommentar!«, fauchte Seneferu mich an.
Ich wandte mich an Sargon: »Seneferu hält mich für unwürdig, Eure Königin zu sein. Er wird sich bemühen, eine Prinzessin zu finden …«
»So ein Unsinn!«, polterte Sargon los und sprang auf. »Ich will dich und sonst niemanden. Sag ihm das!« Urnammus warnendes Kopfschütteln hatte er nicht einmal bemerkt.
Als Sargon wieder Platz nahm, wandte ich mich an Seneferu: »Er akzeptiert Euren Vorschlag nicht. Er will mich und sonst niemanden.«
»Und was willst du, Nefrit?«, fragte Seneferu mich.
»Ich würde Sargon heiraten und mit ihm nach Akkad gehen.«
Seneferu sah aus, als hätte ich ihm mit all meiner Kraft einen Dolch in die Brust gerammt.
Bitte, sagte ich mir, frage mich, warum ich das tun würde. Frage mich, frage mich, bitte! Frage mich, warum Kemet gestern Abend seinen Widerstand aufgegeben hat! Frage mich, warum ich mich seiner Macht unterworfen habe!
Doch er fragte mich nicht.
Seneferu weigerte sich, mich zu empfangen. Immer wieder fand er andere Gründe, mich nicht zu sich vorlassen zu müssen. Es gab noch so viel zu regeln und besprechen, aber er verweigerte sich mir. Durch seinen Adjutanten Teti ließ er mir ausrichten, ich solle nach Mempi zurückkehren, um meinen Aufbruch vorzubereiten. Er werde einen entsprechenden Brief an Kanefer schreiben. Ich solle meine Angelegenheiten in Mempi regeln und mich für die Abreise nach Akkad bereithalten.
Dann traf ein Brief von Kanefer im Lager ein. Seneferu hatte mich nicht rufen lassen. Und Teti kannte den Inhalt des Briefes nicht.
Djedef fing mich ab, als ich Seneferus Zelt aufsuchen wollte. »Hast du Zeit für einen kurzen Spaziergang, Nefrit?«
»Ich will zu …«
»Du hast ihn tief
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