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Die Herrin der Pyramiden

Die Herrin der Pyramiden

Titel: Die Herrin der Pyramiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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    »Morgen Früh wirst du zum ersten Mal an den heiligen Morgenriten teilnehmen, Nefrit!«, erklärte Sethi. »Der Tag beginnt sehr früh bei uns im Tempel, bereits lange vor Erscheinen des Re. Du erhebst dich von deinem Lager, sobald du den Weckruf vom Tempeldach vernimmst. Dann gehst du mit den anderen Schülern hinunter zum Heiligen See und reinigst deinen Körper. Sobald Re den Horizont überschritten hat, wartest du mit den anderen, bis ein Priester euch abholt.«
     
     
    Die Wohnräume für die Schüler und Schülerinnen der Tempelschule befanden sich im hinteren Teil des Tempels direkt am Heiligen See. Ich teilte meine Kammer mit Iya.
    Iya war kaum älter als ich. Unter ihrem durchscheinenden Gewand zeichneten sich die Umrisse ihres Körpers ab. Sie war das anmutigste Wesen, das ich je gesehen hatte. Jedes ihrer Worte wurde von einer Bewegung ihrer Hände begleitet.
    »Ich stamme aus der Residenz Pihuni«, sagte Iya. »Mein Vater ist General Horemhab vom Amun-Regiment. Er ist ein Cousin von Huni.« Iya kniff die Augen zusammen und beobachtete, ob ich angemessen auf ihre Verwandtschaft mit der königlichen Familie reagierte.
    »Dann ist dein Vater ein wichtiger Mann!« Ich beschloss, erst einmal Freundschaft zu schließen. Das ging am einfachsten mit einem Lächeln. »Seit wann bist du hier, Iya?«
    »Seit vier Tagen und sieben Stunden.«
    »Du zählst die Stunden, seit du hier bist?«, fragte ich erstaunt.
    »Ich werde die Stunden zählen, bis ich hier wieder herauskomme.« Iya seufzte. »Vielleicht mache ich nur das erste Jahr und lasse mich zur Tempeldienerin ausbilden. Dann höre ich auf und heirate.«
    Iyas Augen waren in ständiger Bewegung. Sie sah mich nicht an, während sie mit mir sprach, sondern schien die Welt nach Dingen abzusuchen, die sie noch nicht kannte oder noch nicht genossen hatte. Die Welt durfte ihr nichts vorenthalten.
    »Hast du schon einen Versprochenen?«, fragte ich.
    »Mein Vater hat einen Offizier gefunden, den ich heiraten werde. Er glaubt, dass mein Verlobter eines Tages General sein wird. Er ist sehr ehrgeizig: Das gefällt meinem Vater.«
     
     
    Die Morgenriten begannen mit der rituellen Reinigung am Heiligen See. Danach öffnete ein Priester, der einen Schurz aus plissiertem Goldstoff und ein Pantherfell über den Schultern trug, das Tor zur Großen Halle. Tempeldiener brachten die Götternahrung in goldenen und bronzenen Schüsseln und Gefäßen in die Nebenräume der Heiligen Halle, wo sie die Opferträger abholten und in die Säulenhalle vor dem Allerheiligsten brachten.
    Nach dem Öffnen des Götterschreins weckten die Gottesdiener Ptah mit Morgengesängen und Sistrenmusik, stellten die Opfergaben vor ihn hin und zogen sich zurück, um den Gott nicht beim Göttermahl zu stören. Die goldene Statue wurde gewaschen und neu eingekleidet, die von der symbolischen Mahlzeit übrig gebliebenen Speisen entfernt.
    Dann wurde ihm die Maat geopfert. Die Maat ist der im Schöpfungsakt gesetzte richtige Zustand in der Natur und der Gesellschaft von Kemet. Maat ist Recht, Ordnung, Gerechtigkeit und Wahrheit. Indem die Maat rituell geopfert wurde, wurde der Kosmos in Gang gehalten. Die Welt bedurfte einer unablässigen Inganghaltung durch die Riten.
    Was Ptah an diesem Morgen nicht zu sich genommen hatte, wurde unter den Priestern verteilt. Ich war hungrig und wartete sehnsüchtig auf das Ende der Zeremonie. Die Speisen waren dann zwar bereits kalt, aber sie schmeckten sehr gut.
     
     
    Nach den Riten begann der Schulunterricht im hinteren Teil des Tempelbezirks. Nur die Priester des Amun in Weset, die des Osiris in Abodu, die des Sonnengottes Re von Iunu und die des Ptah in Mempi waren befugt, den höheren Unterricht zu erteilen, der über den der Erzieher hinausging. Der Tempel des Ptah beinhaltete neben den Kulträumen für den Gott auch eine Tempelschule für die jährlich hundertzwanzig Schüler, die sich zum Tempeldiener, zum Priester, und in einem weiterführenden Kurs zum Schreiber ausbilden ließen.
    Der Schulraum war aus Schlammziegeln erbaut und wies keinerlei Verzierungen auf. Die Schüler saßen in Schreiberposition auf Schilfmatten. Vor uns hatten wir einen niedrigen Tisch, den sich jeweils zwei Schüler oder Schülerinnen teilten.
    Acht Gottesdiener, die sich auf verschiedene Unterrichtsfächer spezialisiert hatten, unterrichteten uns. So hatten wir einen Lehrer für Ritenkunde und Liturgie, der uns auch die Göttermythen näherbrachte, einen anderen Lehrer für

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