Die Herrin der Pyramiden
sich heran. Als seine Nase zärtlich mein Gesicht berührte, öffnete ich meine Lippen, um ihn zu küssen.
Wir verbrachten die Nacht in seinem Bett.
»Ich schicke dich auf die Schule für Architektur, damit du die Stabilität der Bauprojekte des Königs berechnen kannst und nicht, damit du sie zerredest.« Die Unterredung in Prinz Nefermaats Arbeitsraum im Palast des Wesirs verlief sehr unerfreulich.
»Ich studiere Architektur, um die Stabilität einer Pyramide zu errechnen, nicht um ihre ungefähre Haltbarkeit zu schätzen, Vater.«
Prinz Nefermaat war wütend: »Ich werde die genehmigten Baupläne nicht mehr ändern! Der Winkel bleibt, wie er ist!«, sagte er zu mir, obwohl ich mich bei dieser Unterredung, einem Konflikt zwischen Vater und Sohn, im Hintergrund gehalten hatte. Dann wandte er sich an seinen Sohn: »Sarenput, ich erwarte von dir, dass du hinter den Plänen deines Onkels stehst. Andernfalls solltest du deine Studien in Mempi besser abbrechen und dich anderen Aufgaben widmen.«
Sarenput neigte den Kopf.
»Du bist nun sechzehn und solltest dich endlich um eine Frau für dich bemühen. Als mein möglicher Nachfolger ist es deine Aufgabe, einen Sohn zu zeugen.«
Die Wünsche des Prinzen Nefermaat hätten deutlicher nicht formuliert werden können: Entweder setzte Sarenput sein bautechnisches Wissen im Sinne des Herrschers ein, oder er verschwand wieder als Mitglied der zahlreichen königlichen Familie im Palast. Kein Sohn – kein Amt.
»Ich werde gehorchen, Vater.«
Nefermaat nickte und widmete sich wieder seinen Aufgaben. Wir waren entlassen.
Sarenput und ich kehrten in den Gästetrakt zurück, wo uns Djedef erwartete. Schweigend packte ich meine Tasche, und wir fuhren zurück zum Hafen von Pihuni, wo wir uns auf einer Barke stromabwärts einschifften.
Mein Vater erwartete uns ungeduldig. »Fast eine ganze Woche wart ihr weg!«, sagte er vorwurfsvoll. »Was ist geschehen?«
»Es dauerte allein vier Tage, bis wir zu Prinz Nefermaat vorgelassen wurden«, berichtete ich mit einem vorsichtigen Seitenblick auf Sarenput. Er konnte meinem Vater nicht in die Augen sehen.
»Was ist mit dem Neigungswinkel? Werden die Pläne korrigiert?«
»Nein, Prinz Nefermaat hält die Bauleitung für Feiglinge. Er besteht zum höheren Ruhm des Königs auf der genehmigten Neigung. Am liebsten hätte er wohl noch steiler gebaut.« Meine Wut war meinen Worten deutlich anzumerken.
»Zum höheren Ruhm des Königs? Was hat Seneferu davon, wenn die Deckplatten weggesprengt werden und die Pyramide einstürzt?«
»Der Wesir glaubt, dass eine Pyramide, die den Gottesstaat des Landes Kemet repräsentiert, überhaupt nicht einstürzen kann.«
»Das glaubt er? Ich weiß, dass das Gegenteil der Fall ist«, rief mein Vater. »Bei Imhotep, wer kann ihn zur Vernunft bringen?«
Tagelang ließ sich Sarenput weder in Rechmires Unterricht noch auf der Baustelle der Pyramide sehen. Er musste nachdenken, denn seine berufliche wie persönliche Zukunft stand auf dem Spiel. Wenn er sich gegen seinen Vater erhob, lief er Gefahr, das Amt des Wesirs zu verlieren, das er nach dem Tod Nefermaats als sein ältester Sohn aller Wahrscheinlichkeit nach erben würde.
Ich wollte gerade zur Baustelle des neuen Königspalastes hinüberfahren, als er sein Gespann zu mir herüberlenkte und abstieg. »Hast du einen Augenblick Zeit?«
»Ich muss zur Residenzbaustelle, es gibt dort Probleme.«
Die Probleme schienen ihn nicht weiter zu interessieren, was ich merkwürdig fand. »Nefrit, ich will, dass du meine Frau wirst.«
»Hat dich dein Ka verlassen? Du weißt nicht, wovon du sprichst.«
»Ich weiß, was ich will. Ich will dich heiraten.«
»Das tust du nur, um den Wünschen deines Vaters zu entsprechen«, wandte ich ein. »Es ist sicherlich nicht der Wunsch des Wesirs, dass du ausgerechnet mich heiratest, Sarenput.«
»Heißt das, dass du ablehnst?«
»Ich muss darüber nachdenken!«, sagte ich, bestieg meinen Wagen und trieb die Pferde an. Ich ließ ihn stehen, wie eine Statue in der Werkstatt ihres Meisters, die auf ihre Vollendung wartet.
Als ich das Zelt des Bauleiters betrat, wusste ich, dass etwas geschehen war. Mein Vater kniete vor Prinz Nefermaat, eine für ihn mittlerweile ungewöhnliche Haltung. Kamose hatte sich am Hof eine Position erarbeitet, die ihn vor dem Wesir nicht mehr auf den Boden niederfallen ließ. Doch das galt nicht für seine Tochter, und so steckte ich die Nase tief in den Sand, bis
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