Die Herrin der Pyramiden
ich Rahotep nicht. Einige Male suchte ich den Palast auf, doch jedes Mal erhielt ich die gleiche Antwort. Sein Adjutant Ti sagte mir, Rahotep sei nicht zu sprechen. Er sei in einer Besprechung mit dem Lebendigen Gott.
Khufus Bemerkung ging mir nicht aus dem Sinn, und bei einem meiner Besuche im Palast bat ich um eine Unterredung mit ihm. Doch auch sein Zeremonienmeister vertröstete mich auf einen anderen Tag. General Khufu sei in einer Besprechung beim König.
»General Khufu?«
»Der Prinz wurde vorgestern zum General ernannt. Er kommandiert das Seth-Regiment.«
»Was ist geschehen?«
Der Zeremonienmeister zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht.«
Mir blieb nichts anderes übrig, als den Palast zu verlassen und auf die Baustelle zurückzukehren. Auf dem Weg nach draußen stieß ich fast mit Djedef zusammen. »Was machst
du
hier?«, fragte ich ihn.
»Der König hat mich gerufen. Ich bin General des Ptah-Regiments, Nefrit.«
»Weißt du, was er von dir will?«
Er schüttelte den Kopf.
»Glaubst du, dass es Krieg gibt?«
Am nächsten Tag erhielt ich eine Nachricht von Rahoteps Protokollchef Reni, dass ich mich im Palast einfinden sollte. Rahotep habe darauf bestanden, dass sein Zeremonienmeister mich in das Hofzeremoniell einführte.
Ich zog also mein bestes Kleid an, setzte meine Schafwollperücke auf, zwängte meine Füße in Sandalen und begab mich zum Palast. Reni holte mich am Tor ab und brachte mich in den Garten der Wohnung von Rahotep, der sich immer noch mit seinem Vater besprach.
Reni ging gebeugt neben mir. Er hatte seine zwanzig Stockschläge als Bestrafung für meine Vergehen bereits erhalten. Als ich ihn fragte, sagte er: »Ich bin froh, Prinz Rahotep dienen zu dürfen. Die Strafe war gerechtfertigt, und die Stockschläge sind nicht mit aller Härte ausgeführt worden. Prinz Khufu hätte selbst zum Stock gegriffen.«
Dann lehrte mich Reni das Hofzeremoniell: »Das Leben im Haus der Verehrung beginnt morgens nach Sonnenaufgang mit dem Bad, entweder in der Badewanne in deiner Wohnung oder in dem großen Becken im Garten. Damit wollen wir gleich beginnen, Nefrit.«
»Das ist nicht nötig. Ich habe heute Morgen im Hapi gebadet.«
»Das habe ich mir gedacht«, sagte Reni. »Im Palast wird zweimal am Tag gebadet, morgens und abends. Anschließend wirst du mit duftenden Ölen massiert und angekleidet.« Reni winkte drei Dienerinnen, die hinter mich traten und mich von meinem Gewand befreiten. Dann nahmen sie mir die Perücke ab.
Ich hatte keine andere Möglichkeit, Renis kritischen Blicken zu entkommen, als im Wasser des Beckens zu verschwinden. Also ging ich hinüber zum Beckenrand und sprang kopfüber ins Wasser. Als ich auftauchte, stand Reni nass am Rand und sah mich missbilligend an.
Merit stand neben ihm und lachte. Sie teilte sich den Garten mit Rahotep und wohnte in der Wohnung gegenüber. »Bringt Reni dir das Überleben bei Hofe bei, Nefrit?«
»Wohl eher das Zeremoniell, Prinzessin.«
Merit nahm auf einem Kissen am Beckenrand Platz und sah zu, wie die drei Dienerinnen hinter mir in das Becken stiegen, um mich zu waschen. Es war mir unangenehm, dass ich von Dienerinnen gewaschen wurde und Reni und Merit mir dabei zusahen. Merit schien meine Gedanken erraten zu haben und sagte: »Du bist nun eine öffentliche Person, Nefrit. Du wirst nie mehr allein sein!«
Als die Dienerinnen meine Haut genügend mit Bürsten und rauen Leinentüchern bearbeitet hatten, kletterte ich aus dem Becken und wurde abgetrocknet. Anschließend wurde mein Körper mit duftenden Ölen eingerieben.
Als Merit mein Kleid sah, sagte sie: »Warte einen Augenblick, Nefrit! Du bist für einen Tag Prinzessin und solltest dich entsprechend kleiden.«
Sie schickte eine der Dienerinnen in ihre Wohnung, eines ihrer Kleider zu holen. Nach wenigen Augenblicken kehrte die junge Frau zurück, und ich wurde in ein reich plissiertes, beinahe durchsichtiges Kleid mit weiten Ärmeln gewickelt. Merits Zopfperücke, die mir fast bis zum breiten Gürtel reichte, lag schwer auf meinem Kopf und meinen Schultern. Zum Schluss steckte mir die Prinzessin noch eine frische Lotusblüte in das Haarband.
Merit ging einmal um mich herum und sagte: »Du bist sehr schön, Prinzessin Nefrit-Neferu-itet. Die Würdenträger des Hofes werden dir zu Füßen liegen.«
»Prinzessin Nefrit-Neferu-itet?«, fragte ich.
»Die Schöne, die Vollkommenste von allen, ist gekommen. Das ist der Name, den mein Vater dir gegeben
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