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Die Herrin der Pyramiden

Die Herrin der Pyramiden

Titel: Die Herrin der Pyramiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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einen vergoldeten Käfig, in den ich die Taube stecken sollte. Vielleicht wollte sie den Vogel für ihren Garten mitnehmen. Plötzlich bemerkte ich, wie links und rechts neben mir die anderen Frauen innehielten und sich zu Boden warfen. Jemand stand direkt hinter mir und sah mir bei der Arbeit zu.
    Bevor ich ebenfalls zu Boden sinken konnte, griff seine Hand nach meiner Hand, die die Taube hielt.
    »Mein Sohn Rahotep war vor wenigen Tagen bei mir und bat mich um mein Einverständnis zu seiner Heirat«, sagte der König.
    Ich wartete ab und hielt den Blick gesenkt.
    »Ich habe zugestimmt, Nefrit.«
    »Aber ich habe der Heirat noch nicht zugestimmt, Euer Majestät.«
    Er sah mich überrascht an, nahm mir die Taube aus der Hand und schob sie durch die enge Käfigtür. »Das musst du auch nicht, Nefrit.« Dann schloss er die Tür.
    Der Vogel saß gefangen in einem goldenen Käfig. So wie ich.
     
     
    Wenige Wochen später schickte mir Rahotep per Bote die Aufforderung, am Tempelweihfest des Atum teilzunehmen. Die Feier sollte am fünfzehnten Tag des neunten Mondes stattfinden.
    Im Sonnenhof des Tempels waren zwei Tribünen aufgebaut, eine für die Familie des Herrschers, eine für die höchsten Würdenträger des Reiches. Mir wurde ein Platz in der hintersten Reihe der Tribüne zugeteilt, von wo aus ich die Rituale gut beobachten konnte. Weder mein Vater, der Bauleiter Kamose, noch Rechmire als verantwortlicher Bauleiter der Tempelbaustelle waren eingeladen worden. Ihre Würden reichten für dieses Weihefest nicht aus.
    Ich war überrascht, als ich an jenem Vormittag einen Freund wiedertraf. Er stand inmitten einiger hochrangiger Sonnenpriester von Iunu und suchte seinen Platz auf der Tribüne.
    »Aperire!«, rief ich, und er stutzte.
    Ich rief ihn erneut, und dann erkannte er mich. »Nefrit!«
    »Ich freue mich, dich zu sehen!« Ich umarmte ihn und achtete nicht auf die Blicke der Würdenträger, die missbilligend zu uns herübersahen.
    Der Sonnenpriester hatte in den vergangenen Jahren in Iunu das eine oder andere Kornmaß Gewicht zugelegt. Er trug einen sehr eleganten, mit Goldfäden bestickten Mantel aus Königsleinen über seinem langen Priesterschurz, darüber ein schimmerndes Pantherfell, das mit einer goldenen Horus-Spange gehalten wurde.
    »Nefrit, bitte nenn mich nicht mehr bei diesem alten Namen. Ich heiße jetzt Aperiatum.«
    »Du hast deinen Namen geändert?«
    »Ich habe den Namen meines Gottes angenommen, als ich Priester Fünften Grades wurde.«
    »Du bist Priester Fünften Grades?«
    »Das war ich bis vorgestern, Nefrit. Gestern hat mich Seine Majestät zum Hohepriester des Atum ernannt.«
    »Herzlichen Glückwunsch, Aperiatum!«, sagte ich. »Das ist eine bemerkenswerte Karriere.«
    »Was machst du eigentlich hier auf dieser Tempeleinweihung?«
    In kurzen Worten erzählte ich dem Hohepriester meine Geschichte seit seinem Weggang von der Baustelle in Pihuni.
    »Und nun bist du die künftige Gemahlin des Prinzen Rahotep?«, fragte Aperiatum. »
Prinzessin
Nefrit!«
    »Noch nicht, Aperiatum, noch nicht!«, lachte ich.
    Aperiatum hatte einen Sitz in der ersten Reihe und forderte einen seiner priesterlichen Begleiter auf, mit mir den Platz zu tauschen, damit ich während der Zeremonien neben ihm sitzen konnte. Rahotep, der auf der gegenüberliegenden Tribüne saß, starrte ärgerlich zu uns herüber. Auch der Zeremonienmeister Thotmes schien nicht glücklich zu sein über meinen Sitzplatz neben dem Hohepriester des Atum.
    Bevor die Zeremonien, die durch den König selbst durchgeführt wurden, begannen, hatte ich genug Gelegenheit, die mich umgebenden Würdenträger des Hofes zu beobachten. Ich saß inmitten einer Gruppe von Gottesdienern des Atum, des Ptah, der Hathor und des Osiris aus den verschiedenen Tempeln des Reiches. Weiter hinten saßen hohe Beamte im Rang von Sandalenträgern.
    »Kennst du all diese Menschen?«, fragte ich Aperiatum.
    »Die meisten.«
    »Wer ist das dort?« Ich nickte in Richtung eines unglaublich dicken Mannes, der unter seiner aufwändigen Perücke schwitzte.
    »Er hat nach dem König und dem Wesir die schwierigste Aufgabe, Nefrit. Er ist der Oberschatzmeister Sinuhe. Der Leiter von allem, was existiert. Und was nicht existiert.«
    »Was
nicht
existiert?«
    »Das Schatzhaus ist leer, Nefrit. Die verschiedenen Bauvorhaben des Königs haben den Staatshaushalt erschöpft. Die Pyramide von Pihuni, die Pyramide von Mempi, die neue Residenz, die Tempelerweiterung von Yunet, der neue

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