Die Herrin der Pyramiden
Königin von Kemet.«
»Mach dich nicht über mich lustig, Rahotep!«
»Durchaus nicht. Deine Unterhaltung mit König Sargons Gesandten ist nicht einmal meinem Vater entgangen. Hat er dich deshalb rufen lassen?«
»Das ist dir aufgefallen? Ich dachte, du seiest zu sehr in dein Gespräch mit Ti vertieft, um mich überhaupt zu bemerken.«
Meine spitze Bemerkung ignorierte er mit einem Schulterzucken, das ich im Mondlicht nur erahnen konnte. »Worüber hast du dich mit ihm unterhalten?«
»Über den Bau der neuen Flotte, über die Fertigstellung der Pyramide und über König Sargon von Akkad und dessen Eroberungen im Zweistromland.«
»Nefrit, du erstaunst mich jeden Tag aufs Neue. Deshalb liebe ich dich so.«
Warum glaubte ich ihm kein Wort? Wann hatte ich seine Liebe überhaupt gespürt?
»Lass uns bald das Datum unserer Hochzeit festlegen, bevor wieder ein Krieg dazwischenkommt!«
Die nächste Einladung zu einem offiziellen Termin ließ mir Reni rechtzeitig zustellen. Eine Woche vor der Abfahrt erfuhr ich, dass ich an der diesjährigen Horusfahrt des Herrschers und seiner Familie ins Untere Land teilnehmen sollte, die am Neumond des zweiten Monds der Flut beginnen sollte. Nach einem kurzen Besuch des Sonnentempels von Iunu, in dem Rahotep Diener des Re war, sollte die Fahrt der Sonnenbarke zum Tempel der Göttin Bastet nach Pibastet weitergehen. Danach wollte der Lebendige Gott mit den bereits fertig gestellten Schiffen seiner Flotte zum Meer aufbrechen und weiter zum Zedernland südlich von Amurru, um die Handelswege für das Zedernholz zu schützen.
Ich war aufgeregt! Wie sollte ich eine Horusfahrt von mindestens zehn Tagen überstehen? Ich brauchte Kleider, Gürtel, Sandalen, Perücken und Schmuck. Ich hatte keine Erfahrungen, welche Kleider bei Hofe bei welcher Gelegenheit angemessen waren, denn bereits Merits durchsichtiges Gewand hatte meine Selbstsicherheit erschüttert.
Wen sollte ich um Rat fragen? Merit!
Da die Palastwachen mich mittlerweile gut kannten, hielten sie mich weder auf, noch meldeten sie mich bei Rahotep an.
Ich trat in den Vorraum, der durch die Schreiber des Prinzen besetzt war. Reni sprang auf und flatterte unruhig auf mich zu. »Bist du angemeldet? Prinz Rahotep ist derzeit … er ist zurzeit nicht da.«
»Wo ist er denn?«, fragte ich.
»Er ist … in einer Besprechung.«
»Dann komme ich später wieder«, bot ich an. »Wann wird die Besprechung beendet sein?«
»Das weiß ich leider nicht.«
Irgendetwas an Renis Verhalten ließ mich hellhörig werden. Normalerweise hatte der Zeremonienmeister den Prinzen gut im Griff. Ihm entging nicht die kleinste Einzelheit. Wieso wusste er nicht, wo Rahotep war und wann er zurückerwartet wurde? Irgendetwas stimmte nicht.
Aber mein eigentlicher Besuch im Palast galt Merits Vorsteherin der Roben, die mir, so hoffte ich, bei der Auswahl der richtigen Kleider für die Horusfahrt helfen könnte.
Ich durchquerte den Garten, der Rahoteps Arbeitsräume mit den anderen Wohnungen der königlichen Familie verband. Doch bevor ich Merits Wohnung und die angeschlossenen Dienerkammern erreichen konnte, lief ich der Königinmutter über den Weg, die von zwei Dienern begleitet wurde. Ich begrüßte sie dem Zeremoniell entsprechend förmlich.
»Du bewegst dich doch nicht allein durch den Palast, Nefrit? Wo ist Rahotep?«, fragte Meresankh.
»Er ist in einer Besprechung, Euer Majestät.«
»Und sein Sandalenträger?«
»Er ist beschäftigt«, antwortete ich.
»Du kannst doch nicht ohne Begleitung durch den Palast laufen wie eine gewöhnliche Dienerin.«
»Es macht mir nichts aus, Euer Majestät.«
Meresankh hob missbilligend die Augenbrauen. »Vielleicht dir nicht, Nefrit. Aber vielleicht macht es den Menschen etwas aus, die dir begegnen. Woher sollen sie wissen, wer du bist? Du musst endlich beginnen, dich entsprechend deinem künftigen Rang bei Hof zu verhalten.«
»Wie Ihr eben richtig sagtet, Euer Majestät, handelt es sich um meinen künftigen Rang. Im Moment bin ich noch eine Frau aus dem Volk und verhalte mich entsprechend.«
»Das kann niemandem entgehen, der dich kennt«, meinte Meresankh trocken. »Was tust du hier allein im Palast?«
»Ich wollte Merits Vorsteherin der Roben besuchen. Ich habe eine Einladung zur Horusfahrt erhalten und habe keine Kleider für diesen feierlichen Anlass.«
»Beim Empfang vor wenigen Wochen trugst du ein sehr schönes Kleid. Seneferu konnte kaum seine Augen von dir lassen.« Beinahe hätte
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