Die Herrin der Pyramiden
was ich für richtig hielt.«
»Und nun hast du dich entschieden, meinen Enkel zu heiraten?«
Ich zögerte mit meiner Antwort.
»Oder doch nicht?« Sie ließ meine Hand nicht los. »Nefrit, du hast eine außerordentliche Macht über Rahotep. Nutze sie, um seine verwirrten Gedanken in die richtigen Bahnen zu lenken.«
Ich hätte sie fragen sollen, was sie damit meinte. Vielleicht hätte ich mich dann anders entschieden.
Am Neumondtag brachte mich Kamose zum Hafen nach Mempi, von wo aus die Flotte stromabwärts fahren sollte.
Die neunzig Ellen lange Sonnenbarke
Re
des Königs lag an einem der größten Landungsstege vertäut. Als ich mit meinem Vater eintraf, wurden gerade die Reisetruhen der königlichen Familie an Bord getragen und verstaut. Auf dem stolz geschwungenen Vordeck stand eine Art Pavillon aus Leinen, unter dem der Thron des Herrschers der Zwei Reiche aufgestellt war. Dahinter, in der Mitte der Barke, lagen die Kabinen der Herrscherfamilie.
Da ich nicht wusste, welchem Schiff ich zugeteilt war, ließ ich einen Diener meine Truhe abladen und suchte den Zeremonienmeister Thotmes auf, den ich in der Nähe der Barke gesehen hatte. Er erklärte mir, dass Prinz Rahotep und ich das zweite Schiff hinter der Sonnenbarke besteigen würden. Es handelte sich um den schnellen Segler
Udjat
. Mein Vater begleitete mich an Bord und half mir, meine Truhe, die die Dienerschaft bereits in einer der Kabinen verstaut hatte, auszupacken.
»Du meine Güte! Dir wird es an nichts fehlen, Nefrit. Schau dir das Bett an! Drei Personen könnten darin schlafen.«
Tatsächlich war das Bett unter einem mit Sternen bestickten Baldachin das Prunkstück des Raumes. Die vier Beine waren aus Ebenholz in Form von Löwenbeinen geschnitzt. Das Bett war so hoch, dass ich eine kleine Treppe benötigen würde, um hineinzusteigen. Die weiche Matratze war mit weißem Leinen bezogen, die Kopfstütze aus kostbarem Elefantenzahn geschnitzt. Die weiteren Einrichtungsgegenstände des großzügigen Raumes waren ein Schreibtisch mit einem faltbaren Hocker aus Holz, zwei Stühle und ein niedriger Tisch und drei Truhen für die Kleider. Eine kunstvoll geflochtene Binsenmatte dämpfte die Schritte auf den Planken der Barke.
Als Rahotep mit seiner Dienerschaft an Bord kam, verabschiedete ich mich von Kamose, der auf die Baustelle zurückkehrte.
Gegen Mittag legte die Flotte ab und ließ sich stromabwärts in Richtung Iunu treiben. Die Sonnenstadt war nur eine Tagesreise von Mempi entfernt.
Rahotep hatte ich zwar gesehen, als er an Bord ging, aber dann schienen ihn seine Pflichten eingeholt zu haben, denn in unserer Kabine tauchte er nicht auf. Er hatte einen Arbeitsraum, in dem er ungestört arbeiten konnte.
Ich stand am Bug des Schiffes, dem Zeremoniell entsprechend in Leinen gekleidet, trug Sandalen und Perücke und freute mich über die leichte Brise, denn ich war an so viel Kleidung nicht gewöhnt.
Die Landschaft hinter Mempi änderte sich kaum, und wir glitten lautlos über den Strom. Bald begann das Sumpfland des Hapi. Die Landschaft änderte sich unmerklich. Der Fruchtlandstreifen zu beiden Seiten des Flusses wurde immer breiter, immer üppiger von Grün bewachsen. Je tiefer die Schiffe in die sumpfige Ebene vordrangen, desto satter und dunkler wurde das Grün. Fasziniert starrte ich auf die Papyruswälder zu beiden Seiten des Schiffes. Auf den riesigen Feldern standen Arbeiter und Priester und winkten dem Schiff des Königs zu. Ich konnte nicht erkennen, ob Seneferu an Deck war, und winkte an seiner Stelle zurück.
»Übst du schon für meine Horusfahrten?«
Überrascht drehte ich mich um. Khufu stand hinter mir. Er fuhr auf demselben Schiff wie Rahotep und ich. Ich hatte sein Kommen nicht bemerkt. Er trat neben mich an die Brüstung. Dabei kam er mir so nahe, dass er meinen Körper berührte.
»Dein Verlobter vermisst dich«, sagte er. »Er bedauert, dich seit Stunden nicht gesehen zu haben.«
»Ich habe mir die Landschaft angesehen. Ich war noch nie auf Reisen, Khufu. Ich genieße jeden Augenblick dieser Fahrt.«
»Ich kenne den Hapi zwischen den Katarakten und dem Meer.«
»Das Meer! Ich würde gern das Meer sehen. Das wünsche ich mir, seit ich vier Jahre alt war.«
»Du hast so viele Wünsche, Nefrit! Immer willst du Dinge tun, die für andere Menschen entweder jenseits ihrer Vorstellungskraft liegen oder die sie für unmöglich halten.« Er wandte seinen Blick vom Hapi zu mir, und er war mir sehr nahe. »Wir haben viel
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