Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
zu ersetzen. Den ganzen Tag galoppierten Männer mit Nachrichten auf den Hof und wieder fort. Unter dem Vorsitz von John und Warwick wurden in den Ratskammern von Erber und Westminster lautstark Politik und Strategien diskutiert. Während dieser düsteren Tage für York war es eine der wichtigsten Aufgaben Warwicks, seinen ausländischen Verbündeten zu versichern, dass die Yorkisten weiterhin für ihre Sache kämpfen würden. Er schrieb Briefe an seine Freunde Philip von Burgund, den Herzog von Mailand und auch an den Papst, zu Händen meines Onkels in Rom, den er zum päpstlichen Botschafter ernannt hatte. Dass ihn seine Freunde nach dem Tod Yorks und der Niederlage des Yorkisten-Heeres nicht im Stich ließen, bewies, welches Ansehen und Prestige Warwick in Europa genoss. Überall um uns herum waren Verlust und Gefahr, und niemand konnte voraussagen, was die Zukunft bringen würde, aber solange wir Warwick hatten, hofften wir.
Inmitten dieser katastrophalen Zeit jedoch lernte ich eine Seite an ihm kennen, die mir nicht gefiel. Ich kam an seiner Ratskammer vorbei, als er ein Schreiben an den Papst diktierte. Und da vernahm ich deutlich, wie er den Tod seines Vaters und den seines Bruders als »Mord an meinen Angehörigen« bezeichnete. Vor Schreck blieb ich stehen. Wie konnte Warwick in Bezug auf den Earl und Thomas nur von »Angehörigen« sprechen? Sie waren sein Vater und sein Bruder gewesen!
Ich rang um Fassung und ging weiter, doch ich würde es nie vergessen.
Nichts von dem, was Marguerite in den vorherigen zehn Jahren getan hatte, entfremdete sie dem Volk so sehr wie das Verbrechen von Wakefield. Es war kein Pöbel gewesen, der dort gestorben war, sondern das nobelste Geblüt Englands – das ehrbarste und patriotischste. Der Anstand verlangte, dass die Leichen dieser Männer mit Respekt behandelt wurden. York hatte gegen Marguerite verloren, ja, aber nicht, weil er ihr nicht gewachsen gewesen oder sie klüger wäre. Er war der Unterlegene, weil er nicht so skrupellos war wie sie. Er war ein weißer Ritter, der gegen eine schwarze Königin kämpfte, ein Sohn Englands gegen eine fremde Bedrohung. Und die Leute schlugen sich in Scharen auf Yorks Seite.
Selbst jetzt, nach den grauenhaften Taten der Königin in Wakefield, drängte John Warwick, ein Friedensabkommen mit den Lancastrianern anzustreben und dem Kämpfen ein Ende zu machen. »Um der armen Teufel willen, die für uns kämpfen und sterben müssen. Wir schulden es ihnen, unsere eigenen Empfindungen hintanzustellen und ihnen Frieden zu schenken, sofern er irgend erreichbar ist«, sagte John eines Abends zu mir und ergänzte nach einer kurzen Pause: »Und auch um des armen Königs Henry willen und der Eide, die wir ihm vor Gott leisteten.«
Doch Marguerites Ohren waren taub. Sie plante bereits ihren triumphalen Marsch auf London, wo sie mit Warwick ebenso zu verfahren gedachte wie mit dem Duke of York. Henry sollte gerettet werden, und dann würden sie und ihre Günstlinge – Somerset, Clifford und die Percys von Northumberland – sich die Kriegsbeute teilen und herrschen, wie es ihnen beliebte. Die Aussicht auf eine weitere Schlacht schwebte so beklemmend finster über uns, dass ich, als John eines Tages mit einem Lächeln in unser Gemach trat, ausrief: »Mein Liebster, gibt es gute Neuigkeiten? Ich bitte dich, sag sie mir!«
»Es kam zu einer Schlacht bei Mortimer’s Cross. Edward of March hat gesiegt! Er hat den Vorstoß der Lancastrianer Jasper Tudor und Wiltshire geschlagen – und das ohne Warwicks Hilfe! Mit diesem Sieg hat Edward bewiesen, dass er der Mann ist, für den ich ihn hielt.«
Oh, wie gut es tat, dieses Lächeln zu sehen! Ich warf mich in Johns Arme und bedeckte sein Gesicht, seinen Hals und sein Haar mit wilden Küssen und Freudentränen. Wir feierten mit gewürztem Wein, Roggenbrot und Wurstringen, die John so gern aß. Während wir auf großen Kissen am Feuer saßen, erzählte er mir die Einzelheiten. Und was für eine prächtige Geschichte es war!
»Am Sonntag, dem Lichtmesstag, wurden angeblich drei Sonnen am Himmel gesehen.«
Erschrocken setzte ich mich auf. »Drei Sonnen? Von solch einer Erscheinung habe ich noch nie gehört. Bekamen die Leute keine Angst?«
»Oh, doch, die bekamen sie. Verwirrung und Furcht regten sich unter den Yorkisten. Die Männer hielten die drei Sonnen für ein böses Omen und glaubten, es stünde für den schrecklichen Konflikt zwischen dem König, der Königin und dem Duke of York, der zur
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