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Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Titel: Die Herrin der Rosen - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Worth
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Gesicht genommen hatte.
    Bevor ich etwas sagen konnte, musste ich schlucken. »Mein Liebster«, hauchte ich, »was quält dich?«
    Seine Lippen bewegten sich, doch es kam kein Laut über sie. Er stand auf, kehrte mir den Rücken zu und blickte hinaus in die Winterlandschaft. Als er endlich etwas sagte, klang es wie ein gedehntes Seufzen. »Der Fluss Aln ist wunderschön. Immer, wenn ich an ihm entlangritt und die drei alten Brücken überquerte, musste ich daran denken, wie wunderschön es hier ist, ob Frühling, Sommer, Herbst oder Winter. Wie viel mir das alles bedeutet hat … die Wiesen, der Fluss, die Burg … der Titel …«
    Ich erschrak. »Der Titel?«
    Nun wandte er sich zu mir, umfasste meine Schultern und zog mich an sich. »Ich fürchte, wir werden diesem Ort, der sechs Jahre lang unser Heim war, Lebewohl sagen müssen, Isobel.«
    »Der Titel?«, flüsterte ich verwirrt und ein wenig hysterisch. Ich wusste, was er John bedeutete. Er hatte sich seinen Titel mit Blut, Schweiß und Tränen in vielen langen, brutalen Schlachten erkämpft. Und er hatte weitergefochten, wo andere längst aufgegeben hätten; er war standhaft geblieben, egal, welche grausamen Winde Fortuna ihm entgegengeblasen hatte.
    »Der Titel ist fort. Edward nahm ihn mir am Tag, nachdem ich Conyers’ Begnadigung erbat. Er gab ihn Percy, der aus dem Tower entlassen wurde.«
    Ich hielt mir mit beiden Händen den Mund zu, um meine Schreie zu ersticken, doch es half nichts. Meine Gedanken überschlugen sich, und ich erbebte unter meinen Schluchzern. Es kann nicht sein! Das kann nicht sein …
    Dann vergrub ich das Gesicht an Johns Schulter und ließ meinen Tränen freien Lauf. Ich weinte nicht um mich, sondern um John, um all die Hoffnungen, die ihm genommen worden waren, und um die Zukunft, die man ihm geraubt hatte. Jeder Schritt auf seinem steinigen Lebensweg war von Loyalität und Mut getragen gewesen. Er war ein ehrbarer Ritter, der nie nachzählte, was ihn seine Treue kostete, war seinem König gegenüber unerschütterlich loyal geblieben, als die Versuchung, ihn zu verraten, für jeden anderen Mann unwiderstehlich gewesen war.
    Sein ganzes Leben lang hat er für York gelitten, dachte ich, er opferte sich für York, tötete für York. Und nun, am Ende dieses langen, beschwerlichen Weges, bekommt er dies: Edward opfert ihn wie einen Hirschbock vor einem Festmahl und wirft ihn beiseite.
    »John, oh, John!«, rief ich und vergoss die Tränen, die er nicht weinen konnte.
    König Edward hatte John viele Male gesagt, er liebe ihn vollkommen. Gott stehe jenen bei, die Edward »vollkommen liebt«!, dachte ich mit einem bislang ungekannten Abscheu. Er hatte John den Titel entzogen und ihn zum Marquess of Montagu gemacht, einem nichtigen Rang, der mit der lachhaften Summe von vierzig Pfund jährlich aus der Grafschaft Southampton einherging. Überdies versprach Edward, unseren Sohn Georgie mit seiner Erstgeborenen, Elizabeth, zu vermählen, und ernannte Georgie zum Duke of Bedford. Doch jener Titel war genauso unbedeutend, denn an ihn war keinerlei Landbesitz gebunden. Zudem klang das Versprechen leer, denn keiner von uns glaubte, dass Edward es mit der Vermählung ernst meinte – oder dass Elizabeth Woodville sie zulassen würde.
    Mit unseren begrenzten Mitteln konnten wir uns nur noch eine Hand voll Bediensteter leisten, die wir aus der bisherigen Schar auswählten. Ursula würde natürlich mit uns gehen, ebenso Geoffrey. Johns Knappe, Tom Gower, sollte ebenfalls in unseren Diensten bleiben, genau wie Agnes. Von den übrigen verabschiedeten wir uns tränenreich an einem kalten, nebligen Morgen und verließen Warkworth mit unseren Kindern und den wenigen Dingen, die wir besaßen, auf zwei Karren, um nach Seaton Delaval zu ziehen.
    Während wir den Hügel hinabritten, drehte ich mich um. Dunst wirbelte um die prachtvolle Burg und verlieh ihr etwas Unwirkliches, als sähe man sie in einem Traum. Und in diesem Traum winkten mir die Zinnen traurig zum Abschied, als wüssten sie, wie sehr sie geliebt wurden. Eine Nebelschwade waberte über das Haupttor und gab die Mauer und den vordersten Turm frei. Mir fiel ein, wie John in den glücklichen ersten Jahren seiner Grafenschaft aus Kostengründen beschlossen hatte, den Turm eckig statt rund wie die anderen zu bauen. Geld war stets ein heikles Thema gewesen, selbst mit dem Titel, und am Ende hatten die guten Jahre nicht lange genug angedauert, als dass wir uns von den hohen Reparaturkosten erholen

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