Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
Männern die Königin umgeben war. Liebeleien und Affären gab es zuhauf, und die Damen, die keine Konkurrenz wollten, warfen mir böse Blicke zu, wenn sie hochnäsig in ihren bunten Damastroben vorbeirauschten. Die Herren hingegen widmeten mir dreiste und unerwünschte Aufmerksamkeit. Folglich wagte ich nicht, mich mit anderen anzufreunden, könnten sie sich doch als falsch oder, schlimmer noch, gefährlich erweisen. Kaum verhohlener Hass und Eifersucht herrschten allerorten, und ich sah manch einen für ein achtlos gesprochenes Wort im Tower landen. Aus Furcht, mir könnte es ebenso ergehen, blieb ich meistens für mich. Nie war ich einsamer gewesen als in jenen frühen Tagen bei Hofe, eine ungewisse Zukunft vor mir und das Herz erfüllt von Gedanken an den einen, den ich nicht haben konnte. Meine einzige Gesellschaft waren Ursula und, bei seltenen Gelegenheiten, Sœur Madeleine.
Eines Tages Mitte September dann erschien der König wieder. Zwar nahm er nicht an den Ratsversammlungen teil, wurde aber häufiger bei den Mahlzeiten gesehen. Dort saß er scheu wie eine Jungfer auf seinem Thron. Bei diesen Auftritten blickte er anfangs mit glanzlosen Augen zu seiner Königin, dann wandte er sich ab und starrte auf den Boden. Wie ich hörte, hatte die Königin ihn zurückgeholt, bevor er vollständig genesen war, um den Duke of York loszuwerden, der im Begriff war, die Herrschaft zu übernehmen.
Nach und nach bemerkte ich eine Veränderung an König Henry. Seine Züge wurden freundlicher und lebendiger, und er lächelte jeden an, der auf ihn zukam. Mehr und mehr wurde er zu dem Mann, der er früher gewesen war, und vor allem eine große Güte fiel an ihm auf. Auch wenn er noch in der Dunkelheit seines Geistes gefangen und willensschwach sein mochte, war sein mitfühlendes Wesen unverkennbar. Und die Königin, die sonst so streng und stolz war, veränderte sich in seiner Gegenwart; sie zeigte eine fürsorgliche, mütterliche Seite, und bald leuchteten die Augen des Königs bei ihrem Anblick vor Zuneigung. Eines Abends erwähnte ich diese Beobachtungen in unserer Kammer gegenüber Ursula, mit der mich mittlerweile eine tiefe Freundschaft verband.
»Ja, und wie er ihr vertraut!«, flüsterte Ursula, wobei sie sich in dem leeren Zimmer umsah. »So sehr, dass er ihr mit Freuden erlaubt, ihn auszuplündern.«
»Schh!«, machte ich ängstlich. »Was du sagst, ist Hochverrat, Ursula!«
»Dann habe ich soeben mein Leben in Eure Hände gegeben.«
Am Hof herrschte reichlich Unruhe, und allenthalben lauerten Fallen, woran ich ein weiteres Mal erinnert wurde, als die Königin einmal nach dem Abendessen nach mir schickte. Ein kugelrunder Geistlicher ging gerade, als ich kam, begleitet von zwei Mönchen mit großen Kapuzen, die ihm gesenkten Hauptes folgten. Zuerst hatte ich ihn gar nicht gesehen, weil er sich lautlos im Schatten des Korridors bewegt hatte. Deshalb wich ich mit einem Aufschrei zurück, als er plötzlich aus der Dunkelheit trat und mich grüßte.
»Ah, mein Kind, vergebt mir, dass ich Euch erschreckte. Die Königin ist nun frei, und Ihr dürft eintreten.« Er wies zu den königlichen Gemächern. Die prüfende Art, mit der er mich betrachtete, war mir unangenehm – was seine Fischaugen eher nicht zu mildern vermochten, als er » Benedicite« murmelte. Ich machte einen Knicks, bedankte mich und eilte hastig weiter, denn etwas an dem Mann war mir unheimlich.
Die Königin schritt in ihrem Gemach auf und ab und diktierte einem Schreiber, der an einem hohen Pult nahe dem Fenster hockte. Mit einer Handbewegung bedeutete sie mir, ich solle mich setzen und warten.
»… und unterlasst Eure Drohungen gegenüber dem Verwalter unserer Lordschaft von Hertingfordbury, wie Ihr auch unsere anderen Pächter in Frieden zu lassen habt, oder Ihr erfahrt das Ausmaß unseres Verdrusses, Edmund Pyrcan, Squire …«, fuhr sie fort und gestikulierte dabei auf französische Art. Sie blieb stehen, stieß einen Seufzer aus und nahm einen Stapel Papiere auf. Die blätterte sie durch und zog einen Bogen heraus. »Ah, hier ist sie, die Nachricht von der Äbtissin in Stratford le Bow. Richtet dieses Schreiben an unsere Stallmeister, die Zeugmeister, die Lieferanten und alle sonstigen Stallbediensteten, mit meinem Namenszug, wie gewöhnlich. Es ist ihnen befohlen, nichts mehr anzunehmen, was von der Abtei kommt, dort nicht zu logieren oder auch bloß durch die Stadt zu reisen, denn wir gewährten der Äbtissin unseren Schutz, und wenn sie
Weitere Kostenlose Bücher