Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
Vom Netzwerk:
Boden, und der Diener entfernte sich lautlos.
    Der Beamte wandte sich zur Estrade und verbeugte sich erneut. Der Prinz hob einen beringten Finger. Mein Herz schlug schneller. „Im Namen Amuns, des Größten der Größten, des Königs aller Götter, und mittels der göttlichen Vollmacht von Ramses User-Maat-Re, Meri-Amun, Heq-On, Herr von Tanis, Starker Stier, Geliebter der Maat, Erhalter der Länder, Herr der Schreine von Nekhbet und Uatchet, Gebieter der Feste wie Ta-Tenen, Goldhorus, Gebieter der Jahre, Beschützer Ägyptens, Besieger fremder Länder, Sieger über die Sati, Unterwerfer der Libyer und Vergrößerer Ägyptens, erkläre ich diese Verhandlung vor Gericht für eröffnet“, singsangte der Beamte. „Ich bin der Protokollordner. Den Vorsitz über diesen Prozeß führt Prinz Ramses, der Horus-im-Nest, auf Befehl des Pharaos, der die folgende Erklärung diktiert hat.“
    Der Schreiber zu seinen Füßen hatte seine Palette auf den Knien bereitgemacht, öffnete seine Tusche und wählte einen Pinsel aus. Er wartete. Der Protokollordner suchte ein Blatt Papyrus heraus und las mit wohltönender Stimme vor. „Ich, Ramses User-Maat-Re, Geliebter der Maat und Wahrer der Feder der Gerechtigkeit, beauftrage die Richter, in diesem Fall ohne Ansicht des Rangs aller Männer zu richten, die vor dieses Untersuchungsgericht gebracht worden sind. Überzeugt euch von der Schuld der Angeklagten, ehe ihr sie verurteilt. Doch seid daran erinnert, daß ihre Taten über sie kommen, wohingegen ich in alle Ewigkeit über ihnen stehe und unantastbar bin, denn ich zähle zu den Gerechten und Königen, die vor mir zu Amun-Re, dem König der Götter, und zu Osiris, dem Herrscher der Ewigkeit, versammelt wurden.“
    Was für eine merkwürdige Erklärung, dachte ich. Für was möchte sich Ramses rechtfertigen? Daß er sich in ihnen geirrt hat, als er ihnen Machtpositionen gab? Daß er ihr Treiben in den Jahren nach Erhalt meiner Liste nur flüchtig überwacht hat, wenn eine gründlichere Untersuchung mich schon früher aus meiner Verbannung hätte erlösen können? Es war eine Entschuldigung, wie sie kein Gott aussprechen würde, und sie erschreckte mich. Der Protokollordner fuhr weiter fort. „Falls sie sich jedoch des Verbrechens schuldig gemacht haben, dessen man sie anklagt, dann ist es mein Wunsch, daß sie nicht hingerichtet werden, sondern von eigener Hand sterben.“
    Ich wußte, daß ein solches Urteil bei Leuten von Adel gang und gäbe war, doch ich fragte mich denn doch, ob sich Ramses nicht eine ganz und gar nicht gottgleiche Rachsucht und Häme gestattete, wenn er ihnen befahl, sich selbst zu töten. Er war zwar in jungen Jahren ein großer Krieger gewesen, hatte viele Stämme besiegt, die in Ägypten einfallen wollten, doch er war völlig unfähig gewesen, die Macht, die ihm in Ägypten zustand, den gierigen Händen der Amun-Priester zu entreißen. Wegen dieser Ohnmacht hatte er sich auf dem Thron stets unbehaglich gefühlt, denn häufig mußte er vor dem wohlhabenderen und einflußreicheren Hohenpriester Amuns kuschen, und die Belastung durch diese gnadenlose Diplomatie hatte ihren Tribut gefordert. Er vertraute nur wenigen Menschen, und jetzt ging mir auf, daß Paiis und die anderen, die sich von ihm abgewandt und die Hand gebissen hatten, die sie so vorbehaltlos gefördert hatte, mit ihren Zähnen die Wunde gefunden hatten, die den Pharao mit Sicherheit am meisten schmerzen würde. Undankbarkeit. Ich blickte zu Paiis hinüber. Er wackelte mit dem Fuß und musterte die hell funkelnden Juwelen seiner Sandale.
    Der Protokollordner händigte seinem Schreiber die Anklage des Königs aus. Auf sein Zeichen hin erhoben sich die Richter und wurden namentlich aufgerufen. Mit lauter Stimme stellte der Ordner einen nach dem anderen vor, und nachdem er aufgerufen worden war, durfte jeder wieder Platz nehmen. „Baal- Mahar, Königlicher Oberhofmeister“, rief er. Einer der Fremden, auf die Nesiamun mich hingewiesen hat, dachte ich. Vielleicht ein Syrer. „Yenini, Königlicher Oberhofmeister.“ Schon wieder ein Fremder, dieses Mal ein Libyer. „Peloka, Königlicher Berater.“ Dieses Mal mußte ich die Herkunft des Mannes erraten, ein Lyker vermutlich. „Pabesat, Königlicher Berater. May, Königlicher Schreiber in der Hofkanzlei. Hora, Königlicher Standartenträger.“ Das war der jüngere Mann mit dem schneidigen Auftreten und dem lebhaften Blick. „Mentu-em-taui, Königlicher Schatzmeister. Karo, Königlicher

Weitere Kostenlose Bücher