Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
Vom Netzwerk:
aller Gerechtigkeit siegen, und wie kann die Gerechtigkeit in einem Land siegen, in dem Richter bestechlich sind? Oder Generäle? Stimmst du mit mir überein?“
    „Richter bestechlich?, wohl nicht alle unbefangen“, hatte Nesiamun gesagt. Meine Bestürzung wich. Kein Wunder, daß Paiis so selbstgefällig und zuversichtlich gewirkt hatte. Sechs gegen vier, das hätte geheißen, er hätte das Gericht als freier Mann verlassen. Doch woher wußte Prinz Ramses das? Paiis sagte gar nichts. „Ich möchte den bereits vorgetragenen Anklagen noch eine hinzufügen“, fuhr Ramses fort. „Daß du während der Zeit deines Hausarrests heimlich zwei der Männer zu dir eingeladen hast, von denen du wußtest, daß sie zu Richtern über dich bestimmt waren. Du hast ihnen Speise und Trank angeboten. Du hast ihnen Gold angeboten, falls sie dich in diesem Verfahren für unschuldig erklären. Sie haben eingewilligt. Und du hast einen weiteren Richter, einen aus den Reihen des Heeres, bestochen. Steh auf, Hora.“ Der junge Standartenträger kam mit ernster Miene hoch, drehte sich um und warf sich vor Ramses bäuchlings zu Boden. „Du hast dir das äußerste Mißfallen des Gottes zugezogen, weil du nichts von den Absichten des Generals berichtet hast, ehe die Richter dieses Haus betreten haben“, sagte Ramses scharf. „Aus diesem Grund bist du deiner Stellung als Standartenträger enthoben, dein militärischer Rang wird dir genommen. Da du jedoch so ehrenhaft gewesen bist, dem Protokollordner von der verachtungswürdigen List des Generals zu berichten, erspare ich dir eine körperliche Bestrafung. Verlasse diesen Saal.“ Hora kam wieder hoch.
    „Ich habe mich strafbar gemacht, Prinz“, sagte er leise. „Es tut mir leid. Ich danke dir für eine Milde, die ich nicht verdiene.“ Er entfernte sich rückwärts aus dem Saal, und als er an mir vorbeikam, dachte ich, ja, er hat dich verschont, weil du wie ich bist. Du hast die Verräter verraten. Die Tür ging auf und schloß sich hinter ihm.
    Ich sah Paiis an. Er hatte sich wieder gefaßt, reckte das Kinn und blickte ungerührt auf einen Punkt an der Wand über meinem Kopf. Er mußte gewußt haben, daß sein Versuch, das Gericht zu unterlaufen, an sich schon ein schweres Verbrechen war, und falls es entdeckt wurde und zu den bereits bestehenden Anschuldigungen hinzukam, seine Schuld bestätigen und sein Urteil unabwendbar machen würde. Doch er hatte die Beherrschung nur kurz verloren und sich so schnell gefaßt, daß ich ihn nur bewundern konnte. Ramses sprach erneut.
    „Pabesat, Richter und Königlicher Berater, May, Richter und Königlicher Schreiber in der Hofkanzlei, erhebt euch“, sagte er. „Habt ihr diesem Gericht etwas zu sagen?“ Die beiden Männer kamen mühsam hoch, wandten sich zur Estrade und fielen auf die Knie. Als einer von ihnen, May glaube ich, sich vorbeugte und die Stirn auf den Fußboden legte, brach ihm der Angstschweiß aus, durchtränkte seinen langen Schurz und tropfte auf die Fliesen, daß man es hören konnte. Man konnte seine Kehrseite sehen, weil das schweißnasse Leinen an ihr klebte. Beide Männer atmeten laut.
    „Gebieter, habe Erbarmen mit uns!“ platzte der eine heraus. „Wir sind schwach geworden. Der General ist ein mächtiger Mann, der noch nie einer Missetat überführt worden ist. Er hat uns weisgemacht, daß der Prozeß von einer neidischen und rachsüchtigen Frau in Gang gesetzt worden wäre, die ihn vernichten will.“
    „Aber ihr habt das Beweismaterial gelesen“, hielt Ramses kalt dagegen. „Ihr habt die Worte der Beamten gehört, die die Leiche des Mörders untersucht haben, den ebendieser General gedungen hatte. Eure Liebe zum Gold war größer als eure Wahrheitsliebe. Ihr seid nur wenig besser als der Mann, der euch getäuscht hat. Weil ihr die euch gegebenen Anweisungen mißachtet habt, befehle ich, daß man euch an einen abgeschiedenen Ort führt und euch dort Nasen und Ohren abschlägt. Hauptmann!“ Ein Soldat löste sich aus den Schatten, winkte anderen und trat näher.
    May schlug auf dem Boden mit den Armen um sich und schluchzte: „Nein! Nein! Es ist nicht unsere Schuld! Habe Erbarmen, Prinz!“ Doch Pabesat kam hoch, stand zitternd da und zerknüllte den Stoff seines Schurzes. Die Soldaten ergriffen ihn ungerührt. May mußten sie hochheben und aus dem Saal tragen. Sein Geschrei hallte noch kurz vom Dach wider, dann war er fort.
    Ramses sank auf seinen Stuhl und schlug die Beine übereinander. Ich griff nach Kamens

Weitere Kostenlose Bücher