Die Herrin Thu
Hand, mir war übel. Drei Richter waren fortgeschickt worden, doch wer waren die anderen drei? Der Prinz hob den Becher, der neben seinem Fuß stand, und trank langsam, besonnen. Er stellte ihn ab. Ordnete er seine Gedanken, oder zog er den Augenblick absichtlich in die Länge? Ich wußte es nicht. Als er dann sprach, hörte er sich ruhig und gelassen an. „Baalmahar, Yenini, Peloka“, sagte er. „Verlaßt die Plätze, denn ihr seid sie nicht wert, und gesellt euch zu dem Abschaum, in dessen Schmutz ihr euch gesuhlt habt. Keine Widerrede, kein Protest! Ihr habt vor vielen Jahren die Geburt der Verschwörung gegen den Gott miterlebt. Ihr habt mit den anderen Angeklagten darüber geredet. Ihr habt Wege vorgeschlagen, wie man sie ausführen könnte. Die Tatsache, daß ihr euch an ihrer allmählichen Verwirklichung nicht aktiv beteiligt habt, entschuldigt euch keinesfalls. Paibekamun und Pentu, der Schreiber, sind im Haus des Generals und des Sehers und im Palast aus- und eingegangen und haben euch die nötigen Informationen zukommen lassen. Mich schaudert, wenn ich daran denke, daß ihr alle Zugang zu meinem Vater hattet, und falls ihn die Götter, die ihn als einen der Ihren lieben, nicht geschützt hätten, ihr hättet vielleicht Erfolg gehabt, hättet den Lauf von Ägyptens Geschichte verkehrt und die Maat zunichte gemacht. Glücklicherweise haben sich eure Diener als treuer erwiesen als ihr. Als wir sie verhört und ihnen versichert haben, daß es dieses Mal stichfeste Beweise für die Behauptung der Herrin Thu gibt, haben sie geredet.“
Ich war außer mir vor Entsetzen, bis ich bei der Erwähnung meines Namens wieder zu mir kam. All die Jahre hatte ich mir eingebildet, daß ich alle Verschwörer kannte, doch anscheinend hatten sich in dem Netz, das Hui und Paiis gesponnen und ausgeworfen hatten, noch mehr verfangen, sogar ein Königlicher Berater. Der Prinz ist gerissen, dachte ich und erschauerte. Dieser Prozeß ist von großem Vorteil für ihn. Er säubert das Haus, das bald seins ist, und mittels des Prozesses läßt er ganz Ägypten wissen, daß Hochverrat schlimme Folgen nach sich zieht. Damit stellt er sicher, daß er, wenn er den Horusthron besteigt, von treuen engsten Beratern umgeben ist.
Während mir diese Dinge durch den Kopf gingen, hatten sich die Männer erhoben, den Saal durchquert und standen jetzt neben Paiis. Sie waren wie betäubt, ja, fassungslos, und ganz kurz taten sie mir leid. Sie hatten in behaglicher Sicherheit gelebt und zweifellos nichts von der neuerlichen Gefahr geahnt, die sie bedrohte, als Kamen mit mir aus Aswat zurückkehrte. Wenn der Prinz recht hatte, hatten sie nicht zur vordersten Linie der Verschwörer gehört, und Paiis hatte sich gewiß nicht die Mühe gemacht, sie zu benachrichtigen. Der Befehl, der sie zu Richtern in diesem Prozeß bestimmte, mußte ihnen nicht nur wie ein guter Witz vorgekommen sein, sondern bot auch Gelegenheit, ihren Mitverschwörer zu befreien und dann fröhlich weiterzuleben. Ramses’ Untersuchung war zu gründlich für sie gewesen und war weitaus strenger durchgeführt worden, als das bei seinem Vater der Fall gewesen wäre.
Ramses nickte dem Protokollordner zu. Es würde keine Überraschungen mehr geben. Der reckte sich, legte die Hände flach auf den Papyrusstapel auf seinem Tisch und wiederholte die Worte von vorhin. „Das Beweismaterial ist gehört worden“, rief er. „Es ist Zeit für den Richterspruch.“ Er richtete sich an die vier verbleibenden Richter. „Mentu-em-taui, Richter und Schatzmeister, wie lautet dein Spruch?“ Mentu-em-taui stand jetzt.
„Alle sind schuldig“, sagte er knapp und setzte sich wieder.
„Karo, Richter und Fächerträger“, sagte der Protokollordner. „Wie lautet dein Spruch?“ Karo stand auf.
„Alle sind schuldig“, bestätigte er und nahm seinen Platz wieder ein. Die beiden letzten Urteile lauteten ebenso. Der Schreiber auf dem Fußboden neben dem Protokollordner kratzte beflissen.
Darauf folgte drückendes Schweigen. Ramses saß da, das Kinn in die Hand gestützt, und blickte die Angeklagten grübelnd an. Die starrten zurück und erinnerten mich dabei stark an kleine Tiere, die vom Raubtierblick einer Giftnatter gebannt sind. Schließlich bewegte er sich und seufzte. „Ich tue es ungern“, sagte er. „Wirklich sehr ungern. Ihr seid Ägyptens Fluch, alle miteinander, und wart doch einst Ägyptens junge Blüte. Aber ich muß euch ausreißen, denn ihr seid Giftpflanzen. Möge die Feder der
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