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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Das Streitthema war nicht neu, doch heute verübelte ich es ihr, denn halb bedrückte und halb ärgerte mich ihre fröhliche Selbstsucht. Auf einmal stand vor meinem inneren Auge die bescheidene Hütte, in der die Frau aus Aswat lebte, ihre saubere Armut, die Frau selbst mit ihren rauen Füßen und den abgearbeiteten Händen, und ich umklammerte meinen Becher fester, damit ich nicht die Beherrschung verlor.
    „Takhuru, ich habe dir schon mehrfach gesagt, daß ich nicht Aufseher in den Fayence-Werkstätten werden will“, sagte ich. „Und ich will auch nicht in die Fußstapfen meines Vaters treten. Ich bin Soldat. Eines Tages vielleicht General, doch bis dahin bin ich glücklich mit meiner Wahl, und du wirst einfach lernen müssen, sie klaglos hinzunehmen.“ Die Worte hatten etwas Schulmeisterliches an sich, und ich bedauerte sie, als ich sah, wie sie zusammenzuckte. Jetzt spielte sie nicht mehr die Schmollende, sondern merkte auf. Sie erblaßte und lehnte sich zurück. Ihr Rückgrat stieß an die Wand, und sie richtete sich auf, ohne es zu wissen, legte die beringten und mit Henna gefärbten Hände in den gelben Schoß und reckte das Kinn.
    „Kamen, ich bin Armut nicht gewohnt“, sagte sie ruhig.
    „Vergib mir meine Gedankenlosigkeit. Du weißt natürlich, daß meine Mitgift so reichlich ausfällt, daß wir alles haben können, was wir vielleicht brauchen.“ Dann verzog sie das Gesicht zu einer ungekünstelten und unbewußten Grimasse und war wieder das junge Mädchen, und da verflog mein Ärger. „Es sollte sich nicht überheblich anhören“, entschuldigte sie sich jetzt. „Das kommt von meiner Angst, arm zu sein. Ich habe noch nie ohne die Dinge auskommen müssen, die ich haben wollte.“
    „Meine teure, dumme, kleine Schwester“, schalt ich sie. „Wir werden nicht arm sein. Arm ist ein Tisch, ein Schemel und eine Unschlittlampe. Habe ich dir nicht versprochen, für dich zu sorgen? Jetzt trink deinen Wein, und dann spielen wir Senet. Du hast mich noch gar nicht gefragt, wie es mit meinem Auftrag gelaufen ist.“ Gehorsam steckte sie die Nase in den Becher. Sie leckte sich die Lippen und rutschte näher.
    „Ich nehme die Kegel und du die Spulen“, sagte sie herrisch. „Und ich habe dich nicht nach deiner Reise in den Süden ausgefragt, weil mich nichts interessiert, was dich mir wegnimmt.“
    Ich seufzte innerlich, und dann begannen wir zu spielen, warfen die Stöckchen klappernd auf das noch immer warme Dach, auf dem wir saßen, und redeten zwischendurch über nichts im besonderen, während Re seine letzten Strahlen auch von den Wipfeln ringsum abzog und die ersten Sterne erschienen.
    Wir kannten uns seit Jahren, denn früher hatten wir als kleine Kinder in unseren Gärten getobt, während unsere Eltern zusammen speisten, dann hatten wir zusammen die Tempelschule besucht. Sie war nach der angemessenen Grundausbildung für junge Frauen, deren einzige Aufgabe es war, ihren Ehemännern den Haushalt zu führen, wieder ins Haus zurückgekehrt, während ich weitergelernt und dann die Militärschule besucht hatte. Zu der Zeit hatten wir uns nicht mehr so oft gesehen, waren uns nur begegnet, wenn unsere Familien zu Festen oder religiösen Zeremonien zusammenkamen. Mein Vater hatte mit den Verhandlungen begonnen, die mit unserer Verlobung endeten. Für mich war das der natürliche Lauf der Dinge gewesen, bis Takhuru dann über Häuser und Möbel redete, über Gerätschaften und Mitgift. Da ging mir auf, daß ich für den Rest meines Lebens mit diesem jungen Mädchen speisen, reden und schlafen würde.
    Ich glaubte nicht, daß die kleine Träumerin schon erkannt hatte, was ein Heiratsvertrag in Wirklichkeit bedeutete. Sie war ein verwöhntes Einzelkind, war ihren Eltern spät geschenkt worden, die viele Jahre zuvor eine Tochter verloren hatten. Auf ihre zarte, zerbrechliche Art war sie auch schön, und ich meinte, sie zu lieben. Wie auch immer, die Würfel waren gefallen, und wir waren fast unwiderruflich aneinander gebunden, ob uns das nun gefiel oder nicht. Takhuru in ihrer Unschuld gefiel es. Mir hatte es bislang auch gefallen, ohne daß ich überhaupt darüber nachgedacht hatte. Ich merkte, wie zierlich ihre Finger einen Kegel suchten und umfaßten, wie sie gelegentlich ihr Kleid glättete, als ob sie fürchtete, ich könne mehr sehen als nur ihre Knie, wie sie den Mund verzog und die Stirn kräuselte, ehe sie einen Zug machte. „Takhuru“, sagte ich, „hast du schon einmal getanzt?“ Erschrocken

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