Die Herrin Thu
Mir legte sich das Ganze etwas aufs Gemüt.
Der Garten war zwar mit Laubwerk und Verzierungen reich geschmückt, das Haus dagegen wirkte stets leer, kühl und geräumig und atmete mit seinen gefliesten Fußböden und sternenbesetzten Decken eine altmodische Beschaulichkeit und Vornehmheit. Es gab nur wenige, schlichte und teure Möbel, die Dienstboten waren gut erzogen, tüchtig und genauso still wie die höfliche Atmosphäre, in der sie sich bewegten. Einer kam auf mich zugeschwebt, als ich die Empfangshalle betrat. Die guten Manieren verlangten, daß ich Takhurus Eltern meine Aufwartung machte, ehe ich sie selbst aufsuchte, doch der Mann teilte mir mit, daß sie mit Freunden auswärts auf dem Fluß speisten. Die Herrin Takhuru befände sich auf dem Dach. Ich bedankte mich, verließ das Haus und stieg die Außentreppe hoch.
Trotz der Tatsache, daß die Sonne bereits untergegangen war und die Streifen von rotem Licht, die rasch nach Westen zogen, nur wenig Wärme spendeten, saß meine Verlobte im dunklen Schatten an der Ostmauer des Windfängers, halb in Polstern versunken. Obwohl sie mit gekreuzten Beinen dasaß, berührte ihr aufrechter Rücken nicht die Ziegel, sie ließ die schmalen Schultern nicht hängen, und die hauchdünnen Falten ihres gelben Trägerkleides verhüllten züchtig ihre Knie. Neben ihr standen ordentlich nebeneinander aufgereiht Sandalen mit goldenen Riemchen. Zu ihrer Rechten ein Tablett mit einem silbernen Krug, zwei Silberbechern, zwei Servietten und einer Schüssel Leckereien. Vor ihr wartete das Senet-Brett, auf dem jeder Spielstein auf dem richtigen Platz lag. Als sie mich kommen hörte, wandte sie den Kopf und lächelte glücklich, doch ihr aufrechter, kleiner Rücken beugte sich nicht. Das würde ihre Mutter, so überlegte ich im Näherkommen, freuen. Ich ergriff ihre Hand und legte meine Wange an ihre. Sie duftete nach Zimt und Lotosöl, eine kostspielige, jedoch verzeihliche Schwäche.
„Tut mir leid, daß ich so spät komme“, sagte ich, um der erwarteten Nörgelei zuvorzukommen. „Ich bin dreckig und sehr müde nach Hause gekommen, und nach dem Bad habe ich länger geschlafen, als ich vorhatte.“ Sie tat so, als schmollte sie, und nachdem ich ihre Hand freigegeben hatte, bedeutete sie mir, mich ihr gegenüber hinzusetzen, das Senet-Brett zwischen uns. Sie trug das Armband, das ich ihr im vergangenen Jahr geschenkt hatte, als man uns offiziell versprochen hatte, einen dünnen Reif aus Elektrum, um dessen Rand winzige Skarabäen aus Gold marschierten. Er hatte mich meine Freizeit und einen Monat Plackerei bei den Herden von Seths Hohenpriester gekostet, an ihrem eleganten Handgelenk jedoch wirkte er wunderschön.
„Es macht mir nichts aus, Hauptsache, du hast von mir geträumt“, antwortete sie. „Du hast mir so schrecklich gefehlt, Kamen. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang denke ich nur an dich, vor allem dann, wenn Mutter und ich Leinen und Geschirr für unser Haus bestellen. Letzte Woche ist der Holzschnitzer dagewesen. Er hat den Satz Stühle fertig, den wir bestellt haben, und will wissen, wie weit er die Armlehnen vergolden und ob der Rest verziert werden oder schlicht bleiben soll. Ich finde schlicht besser, und du?“ Sie hob gleichzeitig die schwarzen Brauen und den Weinkrug, zögerte jedoch, bis ich zustimmend nickte. Ich sah, wie sich ihre weißen Zähne beim Einschenken in die Unterlippe gruben, und ihr Blick aus rauchigen, dick mit Khol geschminkten Augen begegnete meinem. Ich nahm den Becher entgegen. Der Wein sah so köstlich aus, daß mir schon bei seinem Anblick das Wasser im Mund zusammenlief. Ich nahm einen Schluck und ließ ihn anerkennend die Kehle hinunterrinnen.
„Schlicht oder verziert, es ist mir ganz einerlei“, setzte ich an, doch als ich ihre geknickte Miene sah, merkte ich, daß ich einen Fehler gemacht hatte. „Ich meine, ich kann mir nicht mehr als eine einfache Vergoldung leisten“, fügte ich hastig an. „Noch nicht, eine ganze Zeit lang nicht. Ich habe dir doch gesagt, daß der Sold eines Soldaten nicht sehr hoch ist, und wir müssen uns bemühen, damit auszukommen. Das Haus an sich kostet mich schon ein kleines Vermögen.“ Jetzt machte sie wieder ihren Schmollmund.
„Wenn du doch nur das Angebot meines Vaters annehmen und dich in den Fayence-Werkstätten anlernen lassen würdest, wir könnten alles, was wir wollen, schon jetzt haben“, wandte sie ein, und das nicht zum ersten Mal. Ich antwortete ihr schärfer als beabsichtigt.
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