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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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während ihre Dienerin ihre Kisten und Kästen aufmachte und ihre ganze hübsche Habe auspackte. Würde sie zuweilen in der Dunkelheit auf dem Lager ruhen und sich fragen, wessen Körper vor ihr auf dieser Matratze gelegen hatte? Würde sie von Liebe und einer Königinnenkrone träumen? Hunros Geist rief mir zu, ich habe nie gelebt, flüsterte er. Nie gelebt. Ich bemitleidete sie ein letztes Mal, dann drehte ich mich um und ging.
    Kamen redete bereits mit den Wachtposten am Haupttor, und während ich aufholte, wurde es geöffnet, und Isis und ich wurden durchgewinkt. Zu meiner Rechten lag der Teich, in dem Hunro und ich geschwommen waren, dunkel und reglos, hatte bereits die Farbe der Nacht angenommen, und die Bäume, die ihn tagsüber beschatteten, verdunkelten ihn nun vollends. Nach einem raschen Blick beeilte ich mich, Kamen einzuholen. Er ging mit großen Schritten den Weg entlang, der zwischen den Rasenflächen auf den breiteren Weg zulief, auf dem ich so viele Male zum eindrucksvollen öffentlichen Eingang des Palastes gegangen war. Königliche Diener befestigten bereits Fackeln an den mächtigen Pfeilern, und in ihrem Schein strömten Höflinge herein.
    Gleich darauf überquerte ich den großen Platz, der an der Bootstreppe endete. Hier mußte ich mich durch fröhliche Grüppchen von Edelleuten drängen, die auf dem Weg zu einem Fest im Palast waren, und da fiel mir der einsame Pharao in seinem höhlenartigen Schlafgemach ein, wie allein er war, abgesehen von seinen Ärzten und dem alles durchdringenden Geruch seines Sterbens, der sich so unsichtbar und unheildrohend bemerkbar machte, während in diesem verwirrenden und prachtvollen Gebäude Ägyptens Puls weiterschlug.
    Kamen führte uns an der Bootstreppe vorbei und am Kanal entlang, in dem Boote jeglicher Größe und Ausschmückung vertäut lagen, bis er am Fuß einer Laufplanke stehenblieb, die zum Deck eines kleinen, aber anmutigen Bootes führte. Seine Planken waren aus Zedernholz. Bug und Heck waren nicht verziert, doch die Kabine war aus Goldstoff, und das Segel, das um den schlanken Mast gebunden war, schien auch aus Goldstoff zu sein. Eine Fahne flatterte träge, doch ihre Farben waren nicht zu erkennen. Ein Steuermann streckte die nackten Beine zu beiden Seiten des Steuerruders aus und beobachtete interessiert das Leben und Treiben ringsum, und mehrere Ruderer beugten sich über die Reling.
    Als sie Kamen erblickten, kam Bewegung in sie. Sie trabten die Laufplanke herunter, halfen den Dienern mit den Truhen und verbeugten sich vor uns. Auf Kamens Zeichen hin wurde die Laufplanke eingezogen, das Seil, mit dem wir festgemacht hatten, gelöst, und Steuermann und Ruderer bugsierten uns sacht vom Ankerplatz fort.
    „Wem gehört das Boot?“ fragte ich Kamen, während Isis hinter uns mit einem Armvoll Kissen in der Kabine verschwand und einer der Ruderer sich über eine Stange beugte und uns vom Ufer wegstakte.
    „Es gehört dir“, erwiderte er. „Ein Geschenk des Prinzen. Er hat nicht gewußt, welche Farbe deine Flagge haben soll, also hat er mir erlaubt, für dich zu wählen.“ In seinen Augen funkelte es belustigt. „Und ich habe gesagt, da ich von königlichem Geblüt bin und du den größten Teil deines Lebens dem König gehört hast, wäre königliches Blau-Weiß angemessen. Er hat gelacht und zugestimmt.“
    „Ein Geschenk?“ sagte ich erstaunt. „Wie großzügig von ihm! Ich bin sprachlos.“
    „Großzügig, na ja“, meinte Kamen, „ich finde eher, daß unser künftiger Pharao insgeheim viel Vergnügen aus deiner Geschichte zieht. Er erwartet einen Bericht über deine Reaktion auf ein weiteres Geschenk, das er und sein Vater sich gemeinsam ausgedacht haben. Nein.“ Er hielt eine Hand hoch, als ich reden wollte. „Du darfst nicht fragen. Die beiden Rollen werden dir alles erklären.“
    „Dann soll ich deinen Adoptivvater und Takhuru oder Nesiamun nicht zu sehen bekommen? Ich muß mich für vieles bei ihnen bedanken, Kamen.“
    „Wir fahren nicht weit“, sagte er. „Und Men hat dafür Verständnis. Möchtest du jetzt in der Kabine ruhen, oder soll ich dir einen Schemel nach draußen bringen lassen?“
    Ich bat um einen Schemel, und als Isis ihn gebracht hatte, setzte ich mich, umfaßte meine Knie und blickte zurück, während sich das Boot von den anderen Schiffen löste, die überall im Kanal festgemacht hatten, und den Bug in Richtung Fluß drehte. Langsam wurde die hohe Reihe der Pfeiler mit ihren brennenden Fackeln kleiner.

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