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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Schon bald darauf war sie zurück, denn sie hatte wohl Angst, ich würde ohne sie gehen, einen großen Lederbeutel über der Schulter und die kostbare Rolle, die ihren Dienst im Harem beendete, in der Hand. Vorsichtig stellte sie ihren Beutel auf eine Truhe und ließ sich mir gegenüber ins Gras sinken, doch die Papyrusrolle gab sie nicht aus der Hand. Ich redete nicht mit ihr, und sie blickte mich nicht an. Jede von uns war in ihre eigenen Gedanken versunken, während der Nachmittag verging.
    Der Himmel über dem Hof war bereits von Tiefblau zu dem Zartrosa verblaßt, das dem Dunkelrot des Sonnenuntergangs vorausgeht, und der Schatten des Springbrunnens hatte sich lang über den Rasen gelegt, da hörte ich endlich die Schritte, die ich herbeigesehnt hatte, und ich wandte den Kopf und sah ihn näher kommen. Lächelnd streckte er die Arme aus, und ich antwortete mit einem Aufschrei, stand auf und lief glücklich in seine ausgebreiteten Arme. „Du reist wirklich mit leichtem Gepäck, Mutter!“ sagte er gespielt spöttisch und bedeutete den Männern in seiner Begleitung, meine Truhen aufzuheben. „Soll der Beutel da auch mit?“
    „Er gehört Isis“, erläuterte ich und schob meine Hand unter seinen Ellenbogen. „Sie ist aus dem Harem entlassen worden und darf mir dienen. O Kamen, es tut gut, dich zu sehen, deine Stimme zu hören! Wie steht es mit dir? Geht es Takhuru gut? Bringst du mich in Mens Haus?“ Wir bewegten uns bereits auf den Ausgang zu, Isis hinter uns.
    „Mir geht es ausgezeichnet“, antwortete er. „Der Prinz hat mir ein Offizierspatent in seiner eigenen Division gegeben und mir Banemus direkt unterstellt. Das ist weise, wenn auch unangenehm für uns beide. Banemus ist. war ein großartiger General, und hoffentlich kann ich viel von ihm lernen. Er wird sich schnell wieder hochdienen. Takhuru.“ Ich zerrte an seinem Arm und blieb stehen.
    „Ich hatte geplant, daß wir zusammenleben, du und ich und Takhuru!“ wehrte ich mich ängstlich und enttäuscht. „Diese Hoffnung hat mich durch die ganze entsetzliche Sache getragen, Kamen, aber wenn du deinen Eid beim Prinzen abgelegt hast, mußt du in Pi-Ramses bleiben! Ich brauche dich! Ich habe eine Liste mit Anwesen, die du dir ansehen sollst. Was mache ich denn ohne dich?“ „Ich verschwinde schon nicht wieder aus deinem Leben“, sagte er, hob meine Hand von seiner Ellenbogenbeuge und küßte sie zärtlich. „Aber ich muß meinen eigenen Weg gehen, Takhuru heiraten, eine Familie gründen. Mit dir, meiner Mutter, kann ich nicht leben. Das wäre für dich genauso verkehrt wie für mich. Ich kann mir deine Leiden ungefähr vorstellen, und du mußt mir glauben, wenn ich verspreche, daß ich dir nicht noch mehr Leid zufügen will. Für dich ist bereits ein Heim vorgesehen. Es wird dir, glaube ich, gefallen. Falls nicht, helfe ich dir, ein anderes aufzutreiben.“
    „Ein Heim? Aber wo? Ich wollte es mit dir zusammen aussuchen, Kamen. Bitte!“ Statt einer Antwort zeigte er auf die Truhen.
    „Du hast doch die beiden Rollen, die dir der Pharao gegeben hat?“
    „Ja. Aber was.?“
    „Genug. Dein Boot erwartet dich an der Bootstreppe des Palastes, und es wird schnell dunkel. Wir müssen uns beeilen.“
    Er verschwand im Gang, doch ehe ich ihm folgte, blieb ich stehen und blickte zurück. Der Strahl des Springbrunnens fiel noch immer in das große Becken. Sein funkelndes, rot angestrahltes Wasser fing die letzten Sonnenstrahlen ein, und sein unentwegtes Geräusch, eine Musik, die die leidenschaftlichen und verzweifelten Tage meiner ersten Einsperrung hier begleitet hatte, plätscherte noch immer seine Weise, als ich zum zweiten Mal ging, und die war wie die Ewigkeit selbst, rätselhaft und unergründlich.
    Um ihn herum saßen oder lagerten die Frauen und plauderten, während ihre Dienerinnen die Sonnensegel abbauten, die nicht mehr benötigt wurden. Irgendwo zupfte jemand träge die Laute, deren klagende Töne in der warmen Luft davonwehten. Weitere Dienerinnen gingen mit beladenen Tabletts hin und her, von denen appetitliche Düfte zu mir drangen und von einem Abend mit gutem Essen und rotem Wein kündeten, von Gesprächen über die Einzelheiten des Tages, von entzündeten Lampen und zerwühlten Lagern und von den stillen Stunden vor einer neuen Morgendämmerung, wenn alles wieder von vorn anfangen würde.
    Doch ohne mich. Den Göttern sei Dank. Ohne mich. Eine andere Nebenfrau würde mit Herzklopfen und voller Hoffnungen in meine Zelle blicken,

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