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Die Herrin von Avalon

Die Herrin von Avalon

Titel: Die Herrin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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anderen.«
    »Der wahre Gott?« wiederholte Gawen. »Hält dein Gott, wer es auch sein mag, meine Seele für sein Eigentum, obwohl ich nicht zu denen gehöre, die ihn anbeten?«
    Der Mönch erwiderte freundlich: »Die unumstößliche Wahrheit deiner und meiner Religion besagt, daß die Götter, gleichgültig, welche Namen man ihnen gibt, alle ein Gott sind. Es gibt in Wirklichkeit nur eine geistige Quelle, und ER herrscht über die Nazarener ebenso wie über die Druiden.«
    Der Alte nickte und ging steifbeinig die paar Schritte zu einer Bank, die neben dem Dornbusch stand. »Kleiner Bruder, wir reden über die unsterblichen Seelen und über den einen wahrhaftigen Gott, aber wir haben uns noch nicht miteinander bekannt gemacht. Ich heiße Joseph. In unserer Bruderschaft nennen sie mich ›Vater‹. Wenn dein irdischer Vater nichts dagegen hat, würde es mich freuen, wenn auch du ›Vater‹ zu mir sagst.«
    Gawen schüttelte den Kopf. »Ich habe meinen irdischen Vater nie gesehen. Jetzt ist er tot. Ich werde also nicht erfahren, ob er etwas dagegen einzuwenden hätte! Meine Mutter habe ich gekannt ... « Er biß sich auf die Lippen und dachte an den Alptraum. »Ich wußte aber nicht, daß sie meine Mutter war.«
    Der alte Mönch sah ihn schweigend an und seufzte. »Du sagst, du seist ein Waisenkind, aber das stimmt nicht. Auch du hast einen Vater und eine Mutter ... «
    »In der anderen Welt ... «, wollte Gawen sagen, aber Vater Joseph unterbrach ihn.
    »Sie sind ständig an deiner Seite. Gott ist dein Vater und deine Mutter. Auch in dieser Welt hast du eine Mutter. Ist die junge Priesterin Caillean nicht deine Stiefmutter?«
    »Caillean? Jung?« Gawen hätte beinahe laut gelacht.
    »Für mich, der ich wirklich alt bin, ist Caillean noch ein Kind«, erklärte Vater Joseph ernst.
    Gawen kniff mißtrauisch die Augen zusammen. »Haben sie von mir gesprochen?« Er wußte, daß Eilned und die anderen alle möglichen Geschichten über ihn erzählten. Der Gedanke, daß sie auch mit den Christen über ihn sprachen, versetzte ihn in Verlegenheit.
    Der alte Mönch lächelte und schüttelte den Kopf. »Deine Stiefmutter und ich ... , wir unterhalten uns von Zeit zu Zeit. Im Namen des Herrn, der sagt, alle Kinder sind die Kinder Gottes, will ich für dich ein Vater sein.«
    Gawen erwiderte: »Du würdest mich nicht als Sohn haben wollen. Die Herrin des alten Volkes, von der man sagt, sie sei eine Fee, ist meine zweite Stiefmutter. Kennst du auch sie?«
    Er schüttelte den Kopf. »Leider ist mir diese Ehre noch nicht zuteil geworden. Aber ich bin überzeugt, daß sie eine gute Frau ist.«
    Gawen atmete erleichtert auf. Trotzdem blieb er vorsichtig und sagte: »Ich habe gehört, daß die Christen behaupten, alle Frauen seien böse ... «
    »Ich sage das nicht«, erwiderte Vater Joseph. »Auch der Herr, als er noch unter uns weilte, kannte viele Frauen, mit denen er befreundet war. Maria von Bethanien wäre seine Frau geworden, wenn er lange genug gelebt hätte. Und zu Maria Magdalena hat er gesagt, ihr sei vieles vergeben, weil sie viel geliebt habe. Du siehst also, Frauen sind keineswegs böse. Deine Stiefmutter Caillean ist eine ehrenwerte Frau. Frauen sind nicht böse, aber manchmal irren sie sich wie alle Menschen. Und wenn einige Fehler begehen, bedeutet das nicht, daß alle das tun.«
    »Dann ist die Herrin des alten Volkes nicht böse und ihre Tochter auch nicht?« fragte Gawen, um ganz sicherzugehen.
    »Ich kenne sie nicht, deshalb steht mir kein Urteil zu. Ihre Tochter ist noch ein Kind. Können Kinder überhaupt sündigen? Der Herr hat gesagt, das Königreich des Himmels sei den Kindern vorbehalten.« Vater Joseph lächelte und fragte Gawen: »Du hast uns doch bestimmt schon öfter beim Singen zugehört? Möchtest du uns nicht einmal in unserer Kirche hören?«
    Gawen wich verunsichert einen Schritt zurück. Er mochte den alten Mann, aber alle Erwachsenen, die ihm sagten, wer er sei oder was er tun solle, machten ihn mißtrauisch.
    »Du mußt nicht«, versicherte ihm Vater Joseph, »aber die Gesänge klingen im Gotteshaus besser ... Nach dem Fest hast du bestimmt mehr freie Zeit. Wenn es dir Freude macht, könntest du sogar das Singen bei uns lernen.«
    »Woher weißt du das? Woher weißt du, daß ich am liebsten singen lernen würde?«
    Vater Joseph gab keine Antwort, und Gawen fügte mit gesenktem Kopf hinzu: »Caillean wird es mir nicht erlauben ... «
    Vater Joseph lächelte nur. »Caillean kannst du mir

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